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Die Stimme des Wirbelwinds

Die Stimme des Wirbelwinds

Titel: Die Stimme des Wirbelwinds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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geben, bis seine Therapie erste Wirkungen zu zeitigen begann, aber Corso weckte Steward noch immer jede Nacht mit seinem Stöhnen und Schreien. Es klang aus dem Dunkel, während Steward im Bett lag, in die weichrandigen Vorhänge gazeartiger Finsternis starrte und vor seinem geistigen Auge das verblassende Nachbild des brennenden Horizonts und des Himmels sah, der schwärzer war als die Dunkelheit um sein Bett herum.
    Im Zimmer auf der anderen Seite wohnte ein Ehepaar, die Thornbergs. Sie hatten in ihrem Leben einen Haufen Geld gemacht und es in ein paar junge Körper investiert, die sie jetzt genossen. Sie brachten fast jede Nacht damit zu, miteinander zu kopulieren. Sie machten einen ganz netten Eindruck, aber ihre Gespräche drehten sich nur um Investitionen, günstige Gelegenheiten und Sportarten wie Squash und Golf. Steward hatte keinen Schimmer von Investitionen, und die einzigen Sportarten, aus denen er sich etwas machte, waren die, bei denen er wetten konnte: Pferderennen, Jai Alai, das australische Feuerkampf-Football, Sachen, die er in einem früheren Leben nachts um zwei von den Piratensatelliten hereinbekommen hatte. Die Thornbergs lebten in einer Art presbyterianischer Wohnökologie in Kalifornien, in der Dinge wie Piratensatelliten-Empfänger, Wettsport, Nachrichtenprogramme von der falschen Seite der Erde und Pornographie verboten waren. Ihre Körper waren jung, ihre Einstellungen ältlich. Steward hatte mit diesen Leuten einfach nichts zu reden.
    Viele Leute im psychologischen Flügel waren wie die Thornbergs. Steward hatte nicht den Eindruck, daß er es jemals schaffen würde, eine solche Persönlichkeit anzunehmen. Er fragte sich, ob Ashraf wünschte, daß er es versuchte.
    »Haben Sie sich je gefragt, warum man Sie ausgesucht hat?« fragte Dr. Ashraf.
    »Ich entsprach ihrem Persönlichkeitsprofil«, sagte Steward.
    »Aber wissen Sie denn, wohinter Kohärentes Licht her war?« beharrte Ashraf. »Eine Menge Leute haben hineinzukommen versucht. Aus all denen hat man Sie ausgewählt. Hat Sie erzogen, ernährt, Ihnen eine Wohnung gegeben und Sie ausgebildet. Die Kosten für Sie und die anderen Eisfalken waren wesentlich höher als für ihre normalen Angestellten. Haben Sie sich nie gefragt, warum?«
    »Sie wollten mich haben. Das hat mir gereicht.«
    »Sie empfanden keine Loyalität zu den Canards«, sagte Ashraf. »Weder zu ihren Zielen noch zu ihrem Territorium.«
    »Das war nicht die Ethik der Canards. Die Canards waren bewußte Anarchisten; sie waren mit Absicht amoralisch. Sie hatten sich darauf verlegt, Stoff zu verkaufen. An wen, war ihnen egal.«
    »Es war Ihnen aber klar, daß Sie das nicht tun wollten.«
    »Nein. Ich hatte es satt. Nach einer Weile … hatte es mir nichts mehr zu bieten.«
    »Ich habe Persönlichkeitsprofile von Kohärentem Licht gesehen«, sagte Ashraf. »Die Geheimhaltung ist aufgehoben worden. Bei den meisten Äußeren Polikorps sind sie weitgehend Standard.« Ashraf hatte die Angewohnheit, seine Fingerspitzen vor dem Mund zusammenzulegen, und Steward erkannte ohne hinzusehen an seiner veränderten Stimme, daß er es wieder tat.
    »Sie wollten Leute haben, die das Bedürfnis hatten, sich einem Ziel zu verschreiben«, sagte Ashraf, »die spürten, daß ihnen etwas fehlte, die einen Sinn vermißten. Sie wollten niemand kaufen. Sie wollten Leute – clevere Leute, talentierte Leute –, die sich mit Leib und Seele dem verschreiben würden, wofür Kohärentes Licht stand. Sie wollten, daß die Eisfalken KLs Ziele unterstützten, weil sie spürten, daß ihnen etwas fehlte. Sie wollten vollständige Loyalität, horizontal innerhalb der Gruppe, vertikal zu Kohärentem Licht. Deshalb hielten sie nach Leuten Ausschau, die sich nach etwas sehnten, dem gegenüber sie loyal sein konnten. Die nach einem persönlichen Heilsbringer suchten, einem Heilsbringer namens Kohärentes Licht.« Ashraf hielt inne. Steward starrte auf Berge hinaus, die von spiegelndem Eis durchschnitten wurden. »Was meinen Sie dazu?« fragte Ashraf.
    »Ich meine, daß sie bekommen haben, wonach sie suchten«, sagte Steward.
     
    Dr. Ashraf hielt es für keine gute Idee, daß Steward Sheol jetzt schon einen Besuch abstatten wollte. Steward war neugierig und wußte nicht, ob er Ashrafs Rat in diesem Punkt befolgen sollte oder nicht. Am Ende schloß er einen Kompromiß: Er rief die Bibliothek an und fragte nach Informationen über die Mächte.
    »Mächte« war eine Übersetzung des Namens, den die Aliens sich selbst

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