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Die Stunde Der Toechter

Titel: Die Stunde Der Toechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Herzig
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stiert er nur noch in den Abend hinaus. Das Boot liegt in einer abgelegenen Bucht. Sie sitzt auf einer der Kühlboxen, die sie am Nachmittag auf die Jacht geschleppt hat. Der Wind spielt mit ihrem Haar.

Johanna
    Blut ward auch sonst vergossen, schon vor Alters,
    Eh’ menschlich Recht den frommen Staat verklärte;
    Ja, auch seitdem geschah so mancher Mord,
    Zu schrecklich für das Ohr: da war’s Gebrauch,
    Daß, war das Hirn heraus, der Mann auch starb,
    Und damit gut.
     
    Macbeth, in: William Shakespeare, Macbeth, dritter Aufzug, vierte Szene
    1.
    Ein letztes Tröpfchen löste sich von seiner runzeligen Vorhaut. Zufrieden grinsend betätigte er die Spülung.
    Im Wohnzimmer lagen Kleider wild zerstreut. In dem schummrigen Halbdunkel sahen sie aus wie Flecken auf einem vergilbten Gemälde.
    Es war heiß. Die Luft, die von draußen sanft in das Zimmer zog, war nicht kühler. Er ging auf den Balkon und betrachtete den Sternenhimmel. Ein milder Wind spielte mit seinen Haaren auf Rücken und Po. Wenn er aufmerksam in die Dunkelheit hinaushorchte, hörte er gelegentliches Summen von Automotoren. Und ein regelmäßiges Knacken, das aus der Wohnung kam.
    Er ging hinein. An der Stereoanlage leuchteten zwei rote Lämpchen. Der Plattenteller drehte sich beharrlich und nach jeder Umdrehung fiel der Tonarm mit einem beleidigten Knacken wieder in die Rille der Schallplatte zurück.
    Johanna di Napoli liebte so Sentimentales, wie Schallplatten aus dem Brockenhaus auf ihrem alten Grammofon abzuspielen. Und er liebte es, wenn sie sentimental wurde. Dann wurde sie auch übermütig. Und giggerig, hatte sie ihm gestanden, bevor sie sich ein Stück Pizza in den Mund geschoben und ihn derart auffordernd angeschaut hatte, dass er beinahe sein Rotweinglas hätte fallen lassen.
    Er stellte die Anlage ab. Die Stille war abrupt und erdrückend. Aus dem Schlafzimmer war nichts zu hören. Auf dem Couchtisch stand eine geöffnete Whiskeyflasche.
    Er hatte Hunger und ging in die Küche. Das letzte Stück Pizza lag auf dem Tisch. Es fühlte sich an wie Gummi und schmeckte auch so. Mit eiskalter Milch aus dem hart arbeitenden Kühlschrank spülte er die Pampe hinunter.
    Im Schlafzimmer verströmte eine pseudoantike Globus-Lampe gedämpftes Licht. Als er über die Schwelle trat, schreckte Johanna aus dem Schlaf auf.
    Es ging so rasch, dass er kaum realisierte, was geschah. Blitzschnell stand sie vor ihm und brüllte. Mit starrem Blick und erhobenen Fäusten. Nackt und bedrohlich.
    Ihm war, als sei er an den Boden geschraubt und mit Blei übergossen worden. Es dauerte unglaublich lange, bis er sich rühren konnte.
    Leise und sanft begann er, auf sie einzureden. Ihr zu erklären, dass er es sei. Dass alles gut sei. Dass sie wieder ins Bett gehen solle.
    Zunächst schien sie ihn nicht zu hören und kam mit gefährlich schwingender Faust einen Schritt näher.
    Am Abend zuvor hatte er noch Witze über ihr Boxtraining gemacht.
    Wie ein verzweifelter Hypnotiseur versuchte er, Johanna aus diesem merkwürdigen Zustand herauszuholen. Er redete und redete und konnte sich später nicht mehr erinnern, was er gesagt hatte, als sie sich plötzlich entspannte.
    Vorsichtig nahm er sie in den Arm. Als sie keine Anstalten machte, sich zu wehren, brachte er sie ins Bett zurück.
    Er deckte Johanna zu und küsste sie auf beide Augen. Dann schaltete er die Lampe aus und ging vorsichtig aus dem Raum. Im Wohnzimmer nahm er die Whiskeyflasche vom Tisch.
    Plötzlich war ihm kalt.
    2.
    Es soll Menschen geben, die Dämonen herbeirufen. Und es gibt Leute, die von Dämonen gejagt werden. Johanna di Napoli kannte ausschließlich Gejagte.
    Was sie dazu getrieben hatte, auf Andrea Camenzind loszugehen, konnte sie sich nicht erklären. Sie erinnerte sich lediglich, dass sie den Holzboden hatte knacken hören. Wie sie aus dem Bett aufgestanden war, konnte sie sich nicht entsinnen, aber sie wusste, dass sie in Kampfposition gegangen war und Andrea angebrüllt hatte. Sie war zu allem entschlossen gewesen. Dieses Gefühl hatte sich ihr eingeprägt. Zusammen mit der panischen Angst, die sie dabei ergriffen hatte.
    Johanna schaute sich um. Neben ihr saß Grazia. Uninspiriert und zögerlich schrieb diese in ihr Notizbuch. Ab und zu hielt sie inne und seufzte. Vor Kurzem hatte sie heftig geflucht und auf das Pult eingeschlagen, als wollte sie es dafür bestrafen, dass sie an ihm sitzen musste. Daraufhin war es für einen kurzen Moment still geworden und der Lehrer hatte noch zerknitterter

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