Die Stunde Der Toechter
drankommen. Was sie tun müssen. Welche Kleider sie anziehen. Manchmal lässt er sie nackt antreten. Dann studiert er ihre Körper. Und schickt die eine oder andere weg. Rasieren, schminken, Nägel lackieren, Haare färben. Bisweilen schreit er. Seine Wutausbrüche sind berüchtigt. Vor einer Woche hat er den Kameramann verprügelt.
An diesem Morgen hat er verkündet, dass seine Schwester ihre erste Rolle spielen sollte. Die Männer grinsten. Penelope schaute ihn böse an. Er spuckte auf den Steinboden und sagte, er würde seine Schwester zu einer Schauspielerin machen. Nicht zu einem Luder, wie die Schwarze eines sei.
Nun steht sie da und wartet auf ihren Einsatz. In einem Badekleid, das alles verdeckt. Zur Sicherheit hat sie sich unter dem Stoff noch mit Toilettenpapier abgedeckt.
Sie hält das Tablett mit dem Whiskeyglas und wartet auf das Handzeichen. Das Einzige, was sie davon abhält wegzulaufen, ist die Erinnerung an ihren Speichel. Wie er langsam in die braune Flüssigkeit eingetaucht ist, als sie mit einem Löffel darin gerührt hat. Bis nichts mehr zu sehen war.
Heute hat sie in den Whiskey gespuckt.
Es ist der Tag des EM-Endspiels. Ihr Bruder ist mit der Blonden nach Paris geflogen. Das Finale darf er nicht verpassen. Auch wenn es zwei Drehtage kostet. Die Schwarze besucht eine Freundin auf dem Festland. Die Kurzhaarige ist verschwunden. Stoff besorgen. Die Männer sind mit der Jacht aufs Meer hinausgefahren. Außer dem Kotzbrocken. Er werde seekrank, hat er gesagt.
Den ganzen Tag ist er im Haus herumgeschlichen. Am Nachmittag hat er am Pool Bier getrunken. Und dabei zu ihrem Fenster hinaufgestarrt. Nun sitzt er im Salon vor dem Fernseher und guckt das Fußballspiel. Den Ton hat er so laut gestellt, dass sie Cambodia kaum noch hören kann. Dabei hat sie die Anlage bis zum Maximum aufgedreht. Lauter geht nicht mehr.
Seit Stunden sollte sie aufs Klo. Die Beine übereinandergeschlagen, sitzt sie auf dem Rand ihres Bettes und versucht, an etwas anderes zu denken. Hundertmal hat sie überlegt, wie sie die Tür aufschließen, ins Bad rennen und dort wieder abschließen würde. Das könnte sie schaffen. Zurückzukommen wäre schwieriger. Er könnte ihr im Flur auflauern. Sicherheitshalber würde sie das Küchenmesser mitnehmen.
Ihr Bruder hatte getobt, als sein neues Tranchiermesser verschwunden war. Wenn er eine Frau beeindrucken will, kocht er. Ein Ferkel, ein Kaninchen, eine Lammkeule. Dann läuft er mit Messer und Wetzstahl durch das Haus und schleift so lange, bis ihn alle gefragt haben, was es zu essen gäbe. Vorgestern war Geflügelabend mit Fasan und Perlhuhn. Er verdächtigte die Kurzhaarige, sein kostbares Messer gegen Stoff eingetauscht zu haben. Zur Strafe musste sie das Geflügel rupfen. Dabei brach ein Nagel ab. Junkies haben brüchige Fingernägel.
Das Messer liegt unter der Wäsche. In derselben Schublade wie die anderen Sachen. Zwei Wasserflaschen, drei Dosen Cola, Zahnbürste und Zahnpasta, Schokoriegel, das Buch mit den griechischen Sagen. In diesem Versteck hält sie lange durch. Wenn sie nur irgendwo pinkeln könnte.
Das Boot schaukelt auf den Wellen. Ihr Bruder liegt im Liegestuhl. Einen Joint in der einen Hand, das Glas Sangria in der anderen. Sein Blick ist glasig.
Die Crew ist abgereist. In einer Woche haben sie drei Filme gedreht. Zum Abschied hat ihr Penelope einen Talisman geschenkt. Das kleine Lederamulett macht sie stark.
Er leert das Glas und füllt nach. Grummelnd wirft er den Stummel über Bord und legt die frei gewordene Hand auf den Bauch.
Am Mittag ist er mit dem Motorrad an den Strand gefahren. In dieser Zeit hat sie seine Sachen durchsucht. Erst schlotterte sie vor Furcht. Mit jeder Schublade, die sie öffnete, wurde sie selbstbewusster. Während der Suche tanzte das Lederamulett unter ihrem T-Shirt auf und ab. Sie fand viele hässliche Dinge. Erst am Schluss entdeckte sie den Stoff. Er war in einer wasserdichten Kunststoffbox. Sie öffnete den Behälter und fand mehrere Packungen Tabletten. Daneben lag ein Plastiksäckchen mit weißem Pulver.
Sie leerte zwei Tablettenschachteln, verschloss sie wieder und legte sie zuunterst in die Box zurück. Das Pulver rührte sie nicht an. Danach brachte sie die Sachen ihres Bruder wieder in Ordnung und ging in die Küche. In einem Mörser zermalmte sie die Tabletten und ließ das Pulver in die Sangria rieseln. Dann schüttete sie Zucker nach.
Nach dem ersten Schluck fluchte er noch, weil es so süß war. Mittlerweile
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