Die Stunde des Adlers (Thriller)
den Film angekündigt hatte: Operation D-Day. Der Tag, der Deutschlands Untergang besiegelt . Nur Minuten später waren alle deutschen und weltweiten Sender auf die ZDF-Bilder gegangen. Seit Sonntag 00.00 Uhr wurde der Film ständig wiederholt, und die »Ermordung des Bundespräsidenten« immer wieder eingestreut.
Inzwischen hatten ihn alle gesehen: Die Zuschauer sahen Deutsche, Italiener, Polen, Türken für den Euro kämpfen, andere vor Angst Gold verstecken, Land kaufen oder selbst in den Yuan flüchten. Weltweit hatte kein Geringerer als Bundesbankpräsident Claus Victor Dohm die Interpretation des Films übernommen. In einem aufgezeichneten Interview mit Tracy Bellamie hatte Dohm erklärt, dass sich die Deutsche Bundesbank dem Befehl widersetzt, die D-Mark wiedereinzuführen. Dohm hatte eindringlich an alle seine Notenbank-Kollegen appelliert, endlich die richtigen politischen Schritte einzufordern. »Noch einmal kann ich das nicht aufhalten. Das kann nur das europäische Volk, indem es sich seiner gemeinsamen Werte bewusst wird.« Gerade dieser Satz war ebenfalls den ganzen Tag wiederholt worden. Genauso wie die Ankündigung Dohms, dass Finanzstaatssekretärin Anna-Maria Kuhn versuchen würde, ihn zu ermorden. Dazu seine »Ermordung«, bis er wieder von den Toten auferstand.
Die bekam von Film und Interview nichts mehr mit. Gegen die Finanzstaatssekretärin war inzwischen offiziell Haftbefehl erlassen worden: nicht nur wegen des Mordversuchs an Claus Victor Dohm, dem Bundesbankpräsidenten, sondern auch wegen Anstiftung zum Mord an Melanie de Wager und Peter Schwander. Das mit der Scherbe war natürlich überhaupt nicht geplant gewesen. Doch Gott sei Dank hatte die schwarze Pest Dohm nur in die Brust geschossen. Für den Kopf hatte ihr wohl doch der Mut gefehlt. Auch wenn es Gummigeschosse waren, so hätten sie Dohm am Kopf erheblich verletzen können. Doch er hatte Glück gehabt, konnte sich auf einer Bahre aus dem Gästehaus tragen lassen und für ein paar Stunden als tot gelten, wie im Interview angekündigt. Einen Toten konnte man schließlich nicht festnehmen. Das war fester Teil des Plans. Und bis das auffiel, was das meiste Geld in Sicherheit. Für diese Finte entschuldigte Dohm sich später bei den Deutschen.
Irgendwo in den USA hatte Kuhns Freund gesessen und sich das ganze Drama auf einem überdimensionalen Flatscreen angeschaut, bewegungs- und fassungslos: Kuhn in Handschellen, Dohm auf der Bahre, Laster rollten und rollten. Nur D-Mark kam nirgendwo an, den ganzen Tag nicht. Sein Lady-Hedge war damit nicht aufgegangen. Sekunden nach Mitternacht deutscher Zeit hatte der Blackberry ihm die Breaking News geflascht: Der Euro würde bleiben, vorerst zumindest. Wie lange, wusste er nicht, aber für seine Wette würde es auf jeden Fall zu spät sein. Sekunden nach dem Film und dem Interview waren die Euro-Anleihen gestiegen und gestiegen. Leider weit über seinen ausgemachten Preis der Wette. Morgen würde Kuhns Freund Milliarden brauchen und teuer einkaufen müssen, um leider billiger liefern zu können. Da nicht nur bei allen Deutschen, sondern weltweit der Glaube an die Bundesbank gestärkt worden war, würde der Euro sich jetzt stabilisieren, nicht zuletzt wegen des eindringlichen Appells des Bundesbankpräsidenten.
Am späten Sonntagabend war der Bundeskanzler isoliert und am Ende. Nachdem er plötzlich den Intendanten statt Markus Lanz auf dem Bildschirm gesehen hatte, hatte er gewusst, dass etwas passiert sein musste. Sein Handy hatte er schon in der Hand gehabt, um Kuhn anzurufen, als er sie auf dem Bildschirm erblickt hatte. Roth hatte seinen Augen und Ohren nicht getraut.
Noch Stunden später, als er wieder zurück in Berlin im Krisenzentrum des Kanzleramtes war, brachte er keinen Ton heraus. Die Mitglieder des Bundessicherheitskabinetts verweigerten dem Bundeskanzler inzwischen die weitere Zusammenarbeit. Neben Außen-, Innen- und Verteidigungsminister hatten sich, ganz Opportunist, Finanzminister Brunnenmacher und überraschenderweise auch Justizminister Mark gegen den Kanzler gestellt. Roth hatte damit die Mehrheit gegen sich und keine Kuhn mehr, die ihm eine politische Lösung vorbereitet hätte. Denn ohne politische Debatte würde es jetzt in Deutschland weder vor noch zurück gehen. Die Verfassung musste auf den Prüfstand der europäischen Entwicklung - mit oder ohne Euro. Aber eben auch mit oder ohne D-Mark musste das deutsche Volk sein Verhältnis zu Europa überdenken. Das war Roths
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