Die Stunde des Adlers (Thriller)
Dohm so ein blutiges Bild. Bei so viel Blut war Kuhn froh, sich ein bisschen an dem Tisch, der die beiden trennte, festhalten zu können.
»Wissen Sie, Herr Bundesbankpräsident, ich weiß eigentlich gar nicht, was Sie von mir wollen.«
»Sie stecken hinter all diesen Morden, Kuhn.«
»Was zu beweisen wäre.«
»Wenn Sie nichts damit zu tun hätten, warum kennen Sie dann den Film?«
»Was denn für einen Film?« Kuhn versuchte, cool zu bleiben. »Lassen Sie mich doch einfach in Ruhe. Ich muss arbeiten. Deutschland braucht mich.« Angriff war die beste Verteidigung. Einfache Strategie, aber vielleicht funktionierte sie ja, dachte Kuhn und machte einen Schritt in Richtung Ausgang.
»Hier kommen Sie nie wieder raus, wenn ich das nicht will.« Dohm lächelte und kam weiter auf sie zu. Immer näher. »Sie wissen doch, Frau Kuhn, ich bin hier der Hausherr. Sie haben hier nichts zu sagen.«
»Sie sind doch nur ein Hausherrchen. Sie können ja noch nicht einmal verhindern, dass ich Ihnen Ihr Eurospielzeug wegnehme.« Das hatte gesessen, aus Kuhn sprach der ganze Frust. Sie dachte an ihre 50 Millionen Dollar und dass sie dieses erneute Problem wirklich ankotzte. Kaum hatte sie das gesagt, sprang Dohm ihr mit einem Satz entgegen. Natürlich wollte er sich beherrschen, aber das ging ihm entschieden zu weit. Oben in der Pförtnerloge wurden die Herren nervös.
Diese dumme Kuh wollte Dohm selbst erledigen. Doch der Schmerz machte alles zunichte. Die Scherbe drang voll durch den Schuh, tief zwischen die Zehen. Claus Victor Dohm krümmte sich. Nach einem schnellen kleinen Tritt gegen die Hand flog die Waffe aus seiner Hand. Zehn Sekunden später lag Dohm auf dem Boden und Kuhn richtete seine Waffe auf ihn. Sie stand direkt über ihm.
»Sie wollen mich aufhalten? Zugegeben, ein bisschen Glück muss man haben. Aber das sollen Scherben ja bekanntlich bringen.« Kuhn lachte, als sie die grüne Scherbe sah, viel größer als jene, die am Donnerstag in ihren Schuh eingedrungen war. Kuhn ignorierte ihren neuerlichen Phantompiks. Ihr Hirn wollte jetzt nicht aufpassen. Die Macht über Leben und Tod des Bundesbankpräsidenten machte sie gewaltig an. Wie er so dalag, der angebliche Hausherr. Auch das ginge wohl als Notwehr durch, vor allem, wenn die kleine Kreatur nicht mehr reden konnte. Und vielleicht hatte sie sogar das Glück, dass Dohm nun wirklich die letzte Kopie des D-Day-Films hatte.
»Eins, zwei und drei.« Leise zählte Kuhn für sich mit – Hutter, Schwander und nun Dohm. Nur dass der Bundesbankpräsident der Erste war, den sie direkt auf dem Gewissen hatte. Dreimal hatte Kuhn dem wehrlos am Boden liegenden Claus Victor Dohm aus nächster Nähe in die Brust geschossen. Schnell färbte sich sein hellgrauer Anzug rot ein.
Kuhn stöhnte wie nach einem erstklassigen Orgasmus. Doch genauso schnell, wie sie auch sonst die Wolllust ablegen konnte, drehte sie sich auch jetzt um und holte die DVD aus dem Laptop. Dass sie hier nicht einfach so fliehen konnte, wusste sie, auch wenn sie hier unten niemand hatte hören können. Ist ja abhörsicher, hatte Dohm noch kommentiert. Also ging die Staatssekretärin aus dem Bundesfinanzministerium, Anna-Maria Kuhn, erst einmal nach oben ans Tageslicht. Der Personenschutz des BKA würde sie hier schon herausholen.
Alles Weitere konnte man am Montag erklären, wenn die D-Mark wieder da wäre. Sie würde sagen, dass der Bundesbankpräsident, ohnehin ein Gegner Deutschlands, sie in eine Falle gelockt, bedrängt und mit einer Waffe bedroht hätte. Es war Notwehr gewesen und ein Notfall für Deutschland. So wollte sie sich am Montag zitieren lassen. Das jubelnde Volk würde schon über einen toten Bundesbankpräsidenten hinwegsehen, wenn man dafür die D-Mark zurückbekommen hatte.
Noch ehe Kuhn eine Nummer anwählen konnte, umklammerte eine Hand die ihre wie ein Schraubstock.
»Sie sind festgenommen.« Hand und Stimme gehörten Carsten von Schoeler, dem Frankfurter Polizeipräsidenten.
»Sie können mich nicht festnehmen. Ich bin Mitglied der Bundesregierung.«
Von Schoeler drehte Kuhn so, dass sie ihm direkt ins Gesicht gucken musste.
»Schätzchen, ich kann jeden und jede für 24 Stunden festnehmen.«
»Was erlauben Sie sich?«
»Sagte ich doch. Sie festzunehmen. Wegen des Verdachts des Mordes an Bundesbankpräsident Claus Victor Dohm.«
23.45 Uhr
Kleins Nacken schmerzte immer noch. Genau an der Stelle, an der ihm der angebliche Pförtner einen Schlag versetzt hatte. Dass dieser
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