Die Stunde des Puppenspielers: Thriller (German Edition)
Irgendjemand hätte sich da reinschleichen und die Innenmauer selber hochziehen können.«
Danny hatte hundert Wörter geschrieben, als sein Handy klingelte; eins der Boulevardblätter der Fleet Street wollte wissen, ob die Gerüchte wahr seien. »Jedes Wort«, sagte Danny. »Wollen Sie einen Exklusivbericht?«
Paco tunkte Salsa mit einem Stück Brot auf. Er stierte auf den Laptop. »Könnte Verwesung das mit dem Kopf gemacht haben?«, fragte er, vergrößerte die geschwärzte Masse auf dem Bildschirm und drehte selbst den Kopf zur Seite, um ihn genauer in Augenschein zu nehmen. »Sieht aus, als würde er eine SM -Maske tragen, oder?«
Die Bemerkung war nicht so zynisch, wie sie klang. Aus der Nähe betrachtet war zu erkennen, dass der ganze Kopf mit einer schwarzen Substanz bedeckt war – wie eine Gummimaske, jedoch ohne Löcher für Augen, Nase oder Mund. Danny beugte sich näher heran. Es sah nicht aus wie aus einem Guss, die Oberfläche schien aus mehreren Schichten zu bestehen. Er ging noch dichter ran, etwas, das aus der unteren Hälfte des Gesichts herausragte, hatte sein Interesse geweckt. »Nach was sieht das für dich aus, Paco?«
»Das ist ein Schlauch, oder?«
Genau das hatte Danny auch gedacht: ein Stück durchsichtiger Plastikschlauch vor dem schwarzen Hintergrund. Dann wusste er Bescheid.
»Das ist Isolierband.«
Paco fluchte leise, als ihm klar wurde, dass Danny recht hatte; der gesamte Kopf war mit schwarzem Isolierband umwickelt. Es bedeckte Augen, Nase, Haare und Ohren und bildete so eine Art Maske. Der Schlauch war hineingesteckt worden, um das Atmen zu ermöglichen.
»Warum tut man jemandem so was an?«, fragte Paco. »Könnte es ein Sexspielchen sein, das in die Hose ging?«
Der Gedanke war Danny auch schon gekommen. Doch jetzt hatten sie keine Zeit, um darüber nachzudenken. Bald würden auch andere Journalisten Zeitungen anrufen und ihre eigenen Angebote machen. Wer als Erster mit der Geschichte und anständigen Fotos auf dem Markt war, würde das Geld abräumen. Vierzig Minuten später war die Reportage von Alan Smithee fertig und abgeschickt, sechshundert Wörter Text und sechs Fotos.
Vor der Tür gaben sich die beiden Männer kurz die Hand, denn Paco wollte unbedingt zu Frau und Töchtern zurückkehren, die er kaum sah. »Sie sind heute die reinsten Nervensägen. Morgen kommt irgendein Clown in ihren Kindergarten. Sie sind schon die ganze Woche völlig aus dem Häuschen.«
Auch Danny befand sich auf dem Heimweg, als sein Telefon klingelte: William Fouldes. Der Herausgeber der Sureste News verschwendete keine Zeit mit Höflichkeiten. »Stimmt es?«
»Das mit der Leiche? Ja!«
»Brillant.« Fouldes sagte es so, dass Danny sich vorstellte, er ziehe die Faust durch die Luft. »Mann, das ist klasse. Seit Wochen hatten wir nichts Anständiges mehr für die Titelseite.«
Beinahe hätte Danny gesagt: »Bestimmt sind Peggy und Arthur Cooke auch ganz aus dem Häuschen«, doch er verkniff es sich. In letzter Zeit gab er sich Mühe, das Verhältnis zu seinem Herausgeber zu verbessern, vorwiegend um der Zeitung willen.
»Ich will, dass du ins Krankenhaus fährst und Peggy Cooke interviewst.« Fouldes’ Stimme war durch das Stimmengewirr im Hintergrund kaum zu verstehen. Es war Sonntag: Fouldes veranstaltete wahrscheinlich eins seiner Grillfeste, bei denen er allen Bonzen um den Bart ging, die er zum Kommen überreden konnte. Fouldes tat so ziemlich alles, um die gesellschaftliche Leiter nach oben zu klettern.
»Dürfte im Augenblick ein bisschen schwierig sein. Arthur Cooke wurde mit Blaulicht ins Krankenhaus gebracht. Die Polizei ist ebenfalls dort und befragt Peggy wegen der Leiche. Ich habe allerdings ihre Handynummer.«
Fouldes machte ein Geräusch, als wäre das Dannys Schuld. »Versuch das. Wenn’s nicht funktioniert, dann geh morgen hin.« Grußlos legte der Herausgeber auf.
William Fouldes war nicht leicht zu mögen.
3
Die Sonne ging eben unter, als er nach Hause kam. Er goss für seinen Hund Lucky eine Schüssel mit Wasser voll und zog dann ein Blatt von der Kühlschranktür, das dort unter einem I ª Toledo -Magneten klemmte.
Die schriftlichen Nachrichten seiner Mutter hatten eine Eigentümlichkeit: Je unwichtiger die Information, umso mehr Wörter benutzte sie. Auf dem Zettel stand eigentlich nur, dass sie die Nacht bei einem Freund verbringe, doch dazu hatte sie eine ganze DIN -A4-Seite gebraucht. Vor einem Monat hatte sie nur siebzehn Wörter benötigt, um eine
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