Die Stunde des Raben
noch viele Geheimnisse zeigen. Und jetzt werdet ihr das Spiel und die Wette gewinnen, und du hast deinen ersten Freifahrtschein in meine Flut! Komm, wann du willst! Jeden Tag!«
»Aber ich denke, im Moment ist gar keine Flut!«, murmelte Rufus.
»Das denkst du nur. Daran liegt es nicht. Komm zu mir, wann du willst! Du musst es nur wollen.« Coralia sprang auf und warf sich dabei wieder gegen Rufus. Gleichzeitig ließ sie das Harpastum los, sodass es Rufus direkt in die Hände fiel.
»Nimm es schon«, raunte sie und purzelte in den Sand. »Lauf!«
Rufus zögerte.
»Lauf los, Rufus!«, brüllte Lucy in diesem Moment. »Ich kann No nicht mehr lange halten. Ottmar kommt zu dir!«
Rufus fuhr herum und sah, wie Lucy sich verzweifelt an Nos und Filines Beine klammerte und dass Ottmar auf ihn zustampfte. Er durfte die beiden nicht enttäuschen. Das war wirklich geschickt von Coralia gewesen. Rufus verstand nicht, was sie meinte, aber er spürte, dass sie sich das alles genau überlegt hatte. Aber was bezweckte sie nur mit all dem? Coralia wurde Rufus wirklich immer unheimlicher. Dennoch war jetzt nicht der rechte Augenblick, um darüber nachzudenken.
Rufus rannte los.
»Lauf, Rufus, lauf!«, brüllte Lucy. »Ich halte sie!« Sie hielt No an den Haaren und Filine an einem Fuß gepackt. Gleichzeitig warf sich hinter ihm Ottmar auf Coralia.
Als Rufus die Linie überquerte, verkündete Meisterin Abel:
»3 : 1. Das war meisterlich! Ein gutes Spiel mit eigenen Systemen. Gute Arbeit, Lehrlinge! Ruht euch jetzt alle kurz aus, dann machen wir eine Spielanalyse.«
No saß im Sand und ließ den Kopf hängen. »Wieso ist Coralia nicht an Rufus vorbeigelaufen? Sie war doch schon fast an ihm vorbei …«, murmelte er enttäuscht.
Filine, die neben ihm stand, streckte ihm die Hand hin. »Steh auf. Ich konnte es auch nicht genau erkennen, aber Rufus hatte plötzlich den Ball in der Hand.«
»Mann, Fi, das hätten wir gewinnen können.«
»No, es war nur ein Spiel!«
»Nur ein Spiel?«
»Ja«, sagte Filine. »Und ich finde, ich habe heute eine ganze Menge gelernt. Wie man so ein Spiel aufbaut und wie man es als Mannschaft gewinnt.« Sie funkelte ihren Freund an.
No ließ Filines Hand in der Luft schweben und erhob sich. »Danke für die Belehrung, aber mir reicht es für heute.«
Von der Grundlinie sah Rufus zu ihnen hinüber. Er wartete, ob No zu ihm hinschauen würde, aber No sah nirgendwo hin. Mit gesenktem Kopf ging er an allen vorbei in die Umkleideräume.
Rufus blickte zu Coralia, aber auch sie sah ihn nicht an.
Er verstand nicht, was sie von ihm wollte. Aber er verspürte im Augenblick auch nicht die geringste Lust, sich damit zu beschäftigen. Durch Coralias Trick hatte ihre Mannschaft verloren. Und das tat Rufus leid. Es war kein faires Spiel gewesen, selbst wenn er, Lucy und Ottmar sehr gut gespielt hatten. Coralia hatte sie gewinnen lassen. Aber er traute sich nicht, die Wahrheit zu sagen. Coralia würde es sowieso abstreiten. Sie war Rufus von Anfang an komisch vorgekommen. Sie hatte sich in ihre erste Flut ziemlich herrschsüchtig eingemischt und sogar behauptet, es sei ihre eigene Flut. Und jetzt wollte sie Rufus zu irgendwelchen seltsamen Geheimbündnissen mit ihr verleiten, die eigentlich nur Spinnerei sein konnten. Oder etwa nicht?
Rufus stieß die Luft aus. Dann schüttelte er energisch den Kopf und lief No nach.
Im Rochusturm
Die Umkleideräume neben der Arena waren weitläufig, eigentlich waren es sogar eher antike Baderäume. Hinter einigen rötlichen Säulen befand sich ein Becken mit eiskaltem Wasser. Quer gegenüber lag ein römisches Dampfbad, aus dem eine dichte Dampfwolke bis unter die Decke zog. Davor standen von heißem Wasser umspülte warme Steine zum Ausruhen, und in der Nähe des Eingangs floss ein warmer Wasserfall über einige Felsen, unter dem man sich duschen konnte. Auf die Wände waren antike Szenen verschiedener Sportarten gemalt.
Rufus blickte sich um. No stand unter dem Wasserfall und duschte.
»No?!«
»Lass mich in Ruhe!« Der blonde Lehrling drehte sich um und wandte Rufus den Rücken zu.
»Aber No, das war –«
»– nur ein Spiel, ich weiß. Ich habe genug von euch Besserwissern.«
Rufus merkte, wie die Wut in ihm hochkroch. »Und ich habe die Nase voll von deiner schlechten Laune.«
No schoss herum. »Meine Laune ist ja wohl verständlich! Ich wollte mit dir und Ottmar zusammen für das Turnier üben, das Meisterin Abel demnächst veranstalten will. Ich wollte
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