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Die Stunde des Raben

Die Stunde des Raben

Titel: Die Stunde des Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Pfeiffer
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Stimme. Dann schälte sich ein Schatten aus dem Dampf. Vor den beiden Lehrlingen tauchte Meister Morley auf, der Meister für mathematische Fragen und Musikinstrumentenkunde. Seine schwarze Haut glänzte feucht.
    »Ich bin nicht umhingekommen, euer Gespräch mitanzuhören«, sagte er mit seiner etwas dumpf klingenden Stimme. »Und ihr gestattet hoffentlich, dass ich eine Bemerkung dazu mache. Nicht alle Fragmente lassen sich ohne Weiteres darauf ein, ihre Geschichte zu zeigen. Ich kann mich erinnern, Norbert …«
    »No!«, sagte No störrisch. »Ich will No genannt werden.«
    »Ach ja, No wie so, ich vergaß!« Meister Morley räusperte sich. »Aber fang bitte im Gegenzug nicht an, mich Meister Mo zu nennen …« Er lächelte spöttisch. Dann fuhr er fort: »Ich kann mich erinnern, No, wie du dein Fragment in Empfang genommen hast. Es war das richtige, ganz ohne Zweifel. Aber vielleicht hast du wirklich noch nicht die richtige Methode gefunden, es anzusprechen, es zum Klingen zu bringen …«
    »Und welche soll das sein?«
    »Welche kennst du denn, No?« Der Meister beugte sich vor und sah No fragend an.
    No schüttelte den Kopf. »Das weiß ich nicht. Beim ersten Mal, da ist es eben so passiert. Und dann haben wir gelesen und nachgedacht …«
    »Und beim zweiten Mal passiert es eben nicht so«, stellte Meister Morley fest. »Und auch Lesen und Nachdenken helfen nicht immer weiter. Da muss man sich eben etwas Mühe geben, etwas anderes suchen, etwas Neues probieren, etwas Ungewöhnliches tun!«
    Er kam näher und griff sich eine Hose aus bunt gemustertem Stoff und eine dazu passende Weste, die er anzog.
    »Warum bist du nicht zu mir gekommen, No? Oder zu einem anderen Meister oder einer Meisterin? Wir sind hier nicht an einer gewöhnlichen Schule. Wir lernen voneinander. Ihr wisst doch schon, dass die Fähigkeit, Fluten auszulösen, mit den Jahren schwindet. Manche alten Meister oder Meisterinnen erleben noch Fluten, aber normalerweise sind es die jungen Lehrlinge wie ihr, die sie anlocken. Und unsere Aufgabe ist es, euch dabei zu helfen. Jederzeit. Und deswegen will ich dir etwas zeigen, No. Und du kannst mitkommen, Rufus! Schließlich seid ihr Freunde, nicht wahr?!«
    Rufus blickte zu No, der ihm nach einem kurzen Zögern zunickte. Vor ihnen wandte Meister Morley sich zur Tür. »Beendet jetzt euren Unterricht in der Arena«, sagte er. »Ich warte solange auf euch.«
     
    Als Rufus und No in die Arena traten, standen die übrigen Lehrlinge bereits um Meister Hardy und Meisterin Abel versammelt.
    »Für ein hartes Spiel habt ihr es mit viel Köpfchen gemeistert«, erklärte Meisterin Abel soeben. »Bei einer Mannschaftsstärke von zwölf gegen zwölf wäre das Ganze allerdings schon noch um einiges schwieriger geworden. Oder auch nur bei drei gegen drei im alten Rom. Denkt immer daran, dass es wirklich keine Regel gab. Coralia, Filine und No haben sich insgesamt sehr freundlich verhalten: Keiner hat die Gegenspieler geschlagen, getreten, gewürgt oder sonst wie angegriffen, selbst nicht, als schon die Niederlage drohte. In einem echten Ludere raptim wäre das aber ständig passiert, und zwar von Beginn an. Ihr jedoch habt das Spiel, ohne es zu wollen oder daran zu denken, sehr wohl mit Regeln versehen: mit den Regeln von Fairness und Anstand. Das zeichnet euch persönlich aus. Es entspricht nur nicht der historischen Wahrheit.«
    Die Meisterin wog das Harpastum in ihrer Hand und sah die Lehrlinge ernst an. »Solche Dinge müsst ihr euch bewusst machen. Die Wirklichkeit kann sehr viel grausamer sein, als wir es uns wünschen. So, und damit ist der Unterricht beendet.«
    Rufus blickte zu No. Dieser stand neben Filine und die beiden sprachen leise miteinander. Rufus gesellte sich zu ihnen. Filine hob den Kopf.
    »No hat mich gefragt, ob ich auch mitkommen will zu Meister Morley«, erklärte sie. »Und ich habe Ja gesagt. Auch, wenn mir unser Zusammenspiel nach dem heutigen Morgen doch noch etwas verbesserungswürdig erscheint.«
    Rufus sah seine beiden Freunde an. No wirkte nach wie vor traurig und in Filines Augen blitzte es immer noch zornig. Doch trotzdem fühlte er sich für einen Augenblick sehr erleichtert.
     
    Meister Morleys Arbeitszimmer lag in einem weit entfernten Turm der Akademie. Um ihn zu erreichen, mussten die Lehrlinge durch den Fellsaal hinter der Werkstatt von Meister Zachus in ein Gewirr kleinerer Säle eintauchen, in denen sich Papierfragmente, Knochen und Lehmteile befanden.
    »Der Turm, in den

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