Die Suche nach den Sternen
Geschwindigkeit und Richtung beibehielt, in etwas über tausend Jahren nahe an Solaria vorbeiziehen. Er fragte sich, ob das der Zweck der Exis-Blase war – Solaria vor irrläufernden Sonnen zu schützen. Der Gedanke schien zumindest nicht völlig abwegig. Allein die Strahlung einer derart nah vorbeiziehenden Sonne würde Solaria komplett zerstören, von der katastrophalen Auswirkung der Anziehungskraft des Sterns ganz zu schweigen. Nur ein undurchdringliches Exis-Feld konnte eine solche Tragödie verhindern.
»Was ist los, Maq?« fragte Sine, der seine plötzliche Aktivität nicht entgangen war.
»Unsere Sorgen um die Zukunft der Menschheit wären beinahe umsonst gewesen. In tausend Jahren wird eine streunende Sonne Solaria in nächster Nähe passieren. Ohne den Schutz der Exis-Schale würde sie die Schalen auseinanderreißen und die Trümmer versengen.«
»Gibt es viele dieser streunenden Sonnen?«
»Ich weiß es nicht, Sine. Wir wissen nicht genug über das Universum, das Solaria umgibt. Vielleicht folgen sie alle ihren eigenen Kursen. Aber die Entfernungen zwischen den Sonnen sind so riesig, daß Kollisionen nur extrem selten vorkommen dürften.«
Als sie über 46 Millionen Kilometer zurückgelegt hatten, war der letzte mögliche Zeitpunkt zur Umkehr nur noch zwei Stunden entfernt. Ancors häßliches, faltiges Gesicht war zu einer steinernen Maske erstarrt, die nichts über die Konflikte verriet, die in seinem Kopf tobten. Sine Anura hielt taktvoll Abstand von Maq. Sie wußte, daß kein Mensch eine derartige seelische Qual verdiente. »Wohin Maq geht, gehe ich auch«, hatte sie Professor Soo erklärt, und ihre Überzeugung kam selbst in diesem kritischen Augenblick nicht ins Wanken.
Eine Stunde vor der Entscheidung saß Ancor starr wie eine Statue vor der Konsole und fixierte die Anzeigen der Instrumente. Erst als sie nur noch Sekunden vom dem entscheidenden Moment trennten, ruckte sein Kopf nach oben, und sein Blick fiel auf die attraktive, grünhäutige Frau an seiner Seite. Doch der Entschluß wurde ihm abgenommen. Plötzlich hallte das Warnsignal des Schiffscomputers durch die Shellback, und neue Zahlenkolonnen huschten über die Orterschirme. Hinter dem Horizont war eine weitere Sonne der neuen Kategorie sichtbar geworden, und ihr Kurs war mit der ersten fast identisch. Aber sie war näher: Vorläufige Berechnungen ergaben, daß sie in nur achthundert Jahren die unmittelbare Nachbarschaft Solarias erreichen würde…
Kapitel 30
Es konnte kein Zufall sein, daß zwei streunende Sonnen derart nahe an einem im kosmischen Maßstab so winzigen Objekt wie Solaria vorbeiziehen würden. Daß das innerhalb eines Zeitraums von zweihundert Jahren geschehen sollte, war, statistisch gesehen, geradezu absurd. Und daß beide Sonnen sich mit nahezu identischem Kurs und Geschwindigkeit näherten, grenzte an das Unmögliche.
Ancor nahm wieder am Schiffscomputer Platz und analysierte die bisher gesammelten Daten mit größter Sorgfalt. Noch wollte er den wilden Ideen, die durch seinen Kopf spukten, keinen Glauben schenken. Die plötzliche Entdeckung einer dritten Sonne, die nur noch sechshundert Jahre entfernt war, gab jedoch seinen verrückten, übergeschnappten Folgerungen unverhofft Nahrung.
Zeus’ Maschinen erschufen die Proto-Sonnen, die Kunst-Sterne, die den Schalen Wärme und Licht spendeten. Sie sammelten riesige Mengen spaltbaren Materials, das sich durch die eigene Anziehungskraft verdichtete, bis unter dem Druck selbsttätig eine nukleare Kettenreaktion in Gang kam und ein natürlicher Fusionsreaktor entstand. Dieser Vorgang wurde im allgemeinen in der Umlaufbahn über der betreffenden Schale in Gang gesetzt. War es möglich, daß diese gewaltigen streunenden Sonnen ebenfalls Zeus’ Werk waren?
Ancor machte sich auf der Stelle an die Arbeit; jeder Gedanke an Umkehr war für den Augenblick vergessen. Die Analyse der Spektren der Sonnen brachte keine schlüssigen Ergebnisse. Sicher war nur soviel: Es handelte sich nicht um Proto-Sonnen jenes Typs, der in Solaria verwandt wurde, aber gleichzeitig gehörten sie auch zu keiner der bisher gefundenen Kategorien von Sternen.
Sine Anura, die wußte, daß sie die letzte Chance für eine Rückkehr nach Hause verpaßt hatten, sah zu, wie Ancor mit Feuereifer arbeitete. Sie verstand nur ansatzweise die Gedanken, die ihn in den Bann geschlagen hatten, aber ihr war klar, daß es für diese Kette aus Sternen einen Grund geben mußte, und sie hoffte inbrünstig,
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