Die Suche
keine Spur. Sie nahm einen kurzen, aber gewaltigen Anlauf und sprang einem von Annas Angreifern ins Genick. Der Aufprall schleuderte ihn nach vorne. Anna tauchte unter ihm hindurch und wandte sich sofort dem zweiten Wolf zu. Der Werwolf machte einige taumelnde Schritte und versuchte, Rosa abzustreifen, doch sie klammerte sich fest und verbiss sich an seiner Schulter.
Der Werwolf stürzte nach vorne auf alle Viere. Rosa wurde weggeschleudert, rollte sich über den moosigen Waldboden ab und kam wieder auf die Pfoten.Für einen Augenblick befand sie sich mit ihrem Gegner Auge in Auge.
Sie kannte diese Missgestalt. Es war Utz.
Er blinzelte sie an, schwerfälliges Erkennen hinter der breiten Stirn. Sie knurrte warnend und fletschte die Zähne, die noch rot gefärbt waren vom Blut des anderen.
Utz zuckte zurück. Sie sprang auf ihn zu, und er drehte auf den Hinterpfoten ab und verschwand in schwerfälligem Galopp im Wald.
Rosa hetzte zurück zum Lager. Quer über dem reglosen Johann lag ein schwer verletzter Werwolf. Blut quoll ihm aus der Seite, und einer seiner Hinterläufe stand in unnatürlichem Winkel zur Seite ab. Überall stank es nach Blut. Anna stand am zertrampelten Feuer und beleckte sich eine Vorderpfote. Ihre heller Pelz war blutverklebt, aber Rosa roch keine Schmerzen an ihr.
Rosa trabte hinüber zu Johann und schlüpfte aus der Wolfsgestalt zurück in ihren menschlichen Körper.
Sie fühlte sich erschöpft. Aus zahlreichen flachen Wunden rann ihr das Blut. Mit ihrer letzten verbliebenen Kraft rollte sie den verletzten Werwolf von Johann herunter.
"Verschwinde, solange du noch kannst", zischte sie ihm zu, und er torkelte davon.
Für heute war klar, wer die Sieger waren. Die Verlierer würden ihrem Instinkt folgen und sich fernhalten. Bis Marcus ein neues Mittel einfiel, sie aufzustacheln.
Sie sah sich Johann genauer an. Unter all dem Werwolfsblut trug der junge Mann Bissspuren an der Schulter. Ein Gebissabdruck, nicht tief, aber deutlich.
Rosa fuhr herum und riss die Fäuste hoch, als jemand sie von hinten an der Schulter berührte. Es war Anna.
"Mein Plan ist aufgegangen", sagte Anna. Rosa nickte.
"Du Wahnsinnige! Du hättest uns alle töten können! Was hast du dir nur dabei gedacht?"
Anna hob die Schultern.
"Ich wollte nicht zusehen, wie er stirbt."
"Jetzt ist er ein Werwolf! Du hast keine Ahnung, wie er damit zurechtkommen wird! Vielleicht wird er zum Monster, wie sie!"
"Unsinn. Wir schicken ihn zu Imagina. Sie wird ihn genauso ausbilden wie uns."
"Imagina ist kein Allheilmittel, Anna."
"Er ist ein guter Mensch, und ich wollte nicht, dass er stirbt!"
"Du wirst noch unzähligen Menschen in deiner Umgebung sterben sehen. Gewöhne dich daran."
Anna starrte sie an, Wut und Verletzlichkeit in den Augen. Die Wut verließ Rosa, sie nahm Anna in die Arme und drückte sie fest an sich.
"Imagina kann dir nur Wissen geben, Kleines. Erfahrungen musst du selbst sammeln. Und zu sehen, wie Menschen um dich herum sterben, ist eine der härtesten."
Anna atmete tief und zitternd.
"Wird er jetzt überleben?"
Rosa ließ Anna los und beugte sich über Johann.
Seine Wangen waren blass, aber nicht mehr leichenfahl. Sein Atem ging ruhig. Die Wunde an seiner Schulter begann bereits zu heilen.
"Ich denke schon. Er wird ein, zwei Tage brauchen, bis er den Weg zu Imaginas Haus schaffen kann, aber er wird gesund werden."
Sie richtete sich auf und sah sich um.
"Wo ist Mattis?"
"Ich gehe ihn suchen", bot Anna an.
"Nicht nötig", sagte eine Stimme unter den Bäumen. Mattis betrat den Lagerplatz. Er war blutverschmiert und offensichtlich erschöpft, aber am Leben. Rosa flog ihm an den Hals.
"Mattis! Wo warst du?"
"Ich habe ein paar von hier ferngehalten und tiefer in den Wald geführt. Ich erinnerte mich an eine Schlucht hier in der Nähe - tief und steil ..."
"Und?"
Er grinste müde.
"Die Werwölfe kannten sie offenbar nicht. Jedenfalls kam der Absturz für sie sehr überraschend. Einer konnte sich am Rand festhalten und wieder nach oben krabbeln. Bei ihm musste ich etwas nachhelfen."
"War Marcus dabei?"
"Nein."
"Ich kam nicht an ihn heran", berichtete Anna. "Sein Rudel ist mittlerweile riesig. Fünfzig, sechzig Mitglieder? Ich rannte in einen Spähtrupp, der sofort die Verfolgung aufnahm. Und letztlich war es mir egal, welcher Werwolf die Gelegenheit ergreift, einen am Boden Liegenden zu beißen."
"Du hast uns das Rudel auf den Hals gehetzt", sagte Mattis finster.
Anna lächelte
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