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Die Sünde aber gebiert den Tod

Die Sünde aber gebiert den Tod

Titel: Die Sünde aber gebiert den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Wald. Das spärliche Licht der Mondsichel ließ die Augen eines wachsamen Waldkaters aufleuchten, als er von seinem hohen Sitz auf einem dicken Eichenast die Witterung herannahender Männer aufnahm. Sie versuchten leise zu sein, doch seine feinen Sinne nahmen das Schlagen der weiten Mäntel gegen ihre Stiefel wahr. Mochten sie noch so vorsichtig auftreten, ihre Schritte auf dem federnden Waldboden konnte er deutlich hören. Ihre Gesichter jedoch sah er nicht, denn nicht nur wegen der Kälte trugen die neun Männer dunkle Umhänge, deren hochgeschlagene Kapuzen ihre Häupter verbargen. Vermummt waren sie vor allem, weil sie nicht erkannt werden wollten, weder von dem Kläger noch vom Angeklagten der Feme.
    Doch nur der Kläger war auf dem Gerichtsplatz unter den Sternen erschienen, ebenfalls verhüllt durch einen weiten Umhang. Der Angeklagte war der Aufforderung nicht gefolgt, sich zu dieser mitternächtlichen Stunde einzufinden. Und so wurde das Urteil in seiner Abwesenheit über ihn verhängt.
    »Ich verfeme dich!«, klang es dumpf durch die eisige Nacht. »Deinen Hals weihe ich dem Strick, deinenLeichnam den Tieren, und Vögeln, ihn zu verzehren. Deine Seele befehle ich Gott im Himmel, wenn er sie denn nehmen will.«
    Während des Femespruchs, der den Angeklagten zu einem Vogelfreien erklärte, dessen Leben und Besitz jeder nehmen konnte und der kein Anrecht auf Schutz und Hilfe mehr hatte, hob sich einmal der Kopf des Klägers, und in seinem überschatteten Gesicht glühten die Augen beinahe so hell auf wie die des lauernden Waldkaters.
    Schließlich warf der Richter den Weidenstrick aus dem Rund der Gerichtsstätte – als Zeichen, dass die Sitzung beendet sei. Das Urteil, das im Namen des Erzbischofs von Köln gefällt worden war, würde dem feigen Verräter trotz seiner Abwesenheit bekannt genug sein.
    Die sieben Freischöffen verschwanden zwischen den hohen Stämmen der alten Eichen auf verschiedenen Wegen, und auch der Kläger verließ gemeinsam mit dem Richter den Platz.
    »Und nun, mein lieber Graf, können wir über die Vollstreckung des Urteils sprechen. Ich habe da so eine Idee, die unserem Herrn sehr zupass kommen wird!«, hörte es der wachsame Waldkater unter seinem hohen Sitz flüstern. Dann eilten die beiden Männer über das raschelnde, trockene Laub der Stadt entgegen.

2. Kapitel
    I n der Stube war es ausnehmend gemütlich. Ein prächtiges Feuer prasselte im Kamin, der warme Würzwein in der Kanne duftete süß, und durch die runden Glasscheiben, die kunstvoll mit Blei zusammengesetzt die Fensteröffnung verschlossen, fielen noch die letzten schrägen Strahlen der untergehenden Wintersonne. Zwischen den beiden Frauen im Raum herrschte eine heitere, entspannte Stimmung. Die ältere saß eifrig spinnend auf der Bank neben der Feuerstelle, die andere hatte ihre kunstvolle Stickerei auf den Tisch gelegt. Das Licht reichte für solch feine Arbeiten nicht mehr aus, aber um eine der teuren Wachskerzen anzuzünden, war es noch zu früh. So ruhten denn ihre Hände müßig auf dem seidigen Pelz eines großen schwarzen Katers, der es sich auf ihrem Schoß gemütlich gemacht hatte. Er schnurrte mit dem wirbelnden Spinnrad um die Wette.
    »Ja, ja, Frau Barbara, ich weiß Euer Angebot zu schätzen. Ich weiß ja, es kommt Euch von Herzen. Aber da Ihr die Antwort seit langem kennt, nehme ich an, Vater hat wieder einmal darauf bestanden, dass Ihr diese Frage stellt.«
    Die Hausherrin zuckte resigniert lächelnd mit den Schultern. Sie trug ein hell- und dunkelgrün gestreiftes Gewand, das nach der neuesten Mode eng am Oberkörper anlag und eine elegante Pelzverbrämung um Hals- und Ärmelausschnitte aufwies. Ihr Gesicht unter demweich fallenden Kruseler zeigte Reife, doch es war lebhaft genug, um nicht alt zu wirken. Kurzum, sie war eine gepflegte Frau in den mittleren Jahren, die auf ihr Äußeres hielt.
    »Du kennst ihn ja, Almut. Aber sag, würdest du nicht wirklich gerne einmal wieder schöne Kleider aus weichen, anschmiegsamen Stoffen tragen? Es scheint mir so widersinnig für eine junge Frau wie dich, in diesen kratzigen, grauen Fetzen herumzulaufen.«
    »Dem weltlichen Tand, liebe Stiefmutter, habe ich aus guten Gründen entsagt.«
    »Pah!«
    »Im Übrigen sind unsere Kleider nicht aus billigem Stoff genäht! Frau Magda sorgt schon dafür, dass weiche Wolle und feines Leinen verwendet werden. Und weißt du, mir gefällt es, mich nicht ständig nach irgendwelchen Äußerlichkeiten richten zu

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