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Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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genug gehen, mich endlich loszuwerden. Und ich wollte ihn ja selber unbedingt haben, diesen Dämon!«
    Es tat so gut, dieses inbrünstige Flüstern, beinahe, als würde die Mutter ihr wirklich zuhören.
    »Nach der Hochzeit hab ich mich nur noch geschämt und nächtelang geweint, weil ich glaubte, es liege einzig und allein an mir. Und dennoch hörte ich nicht auf zu hoffen, Lupo würde sich eines Tages ändern. Er aber dachte nicht einmal im Traum daran. Ganz im Gegenteil – meine Duldsamkeit hat ihn zu einem noch wüsteren Teufel werden lassen. Wie ein Kainsmal stand es auf meiner Stirn geschrieben …«
    Sie hielt inne, hörte, wie das Portal geöffnet und wieder geschlossen wurde, dann vernahm sie schnelle Schritte und Kinderstimmen. Ohne lange zu überlegen, schlüpfte sie in eine der Nebenkapellen und sank vor der Madonna del Voto auf die Knie.
    Eine Weile war alles um sie herum vergessen. Zuerst tobte es noch wirr hinter ihrer Stirn, dann aber begannen ihre Gedanken sich zu klären, als hätte ein kräftiger Windstoß mit all den dunklen Gewitterwolken aufgeräumt. Doch mit der Klarheit kehrte auch ihre Verzweiflung zurück.
    Ihre Flucht aus Lupos Haus machte sie zu einer Gezeichneten. Den ehrenhaften Status einer verheirateten Frau hatte sie damit aufgegeben – und würde doch bis zum Tod das Weib dieses verhassten Mannes bleiben. Niemand konnte die Zeit zurückdrehen und aus ihr wieder Bartolos behütete, wissbegierige und oftmals reichlich vorlaute Älteste machen, für die die ganze Welt ein aufregendes Fest gewesen war. Und sie müsste sich neuerlich der Vormundschaft des Vaters beugen, wollte sie Unterschlupf unter seinem Dach finden. Der Gedanke an die fassungslosen Mienen der jüngeren Schwestern, die sich bei der Hochzeit darum gezankt hatten, ihre Schleppe zu tragen, war kaum weniger unerträglich als der an Lavinias Häme.
    Nein, sie konnte nicht zurück, solange sich noch ein Quäntchen Stolz in ihr regte.
    Wenn du dieses Haus verlässt, bist du tot. Sollte Lupos grausame Drohung sich tatsächlich bewahrheiten?
    Sie hatte zu weinen begonnen, und die Tränen fielen auf ihren Umhang, als sie plötzlich ein zaghaftes Zupfen spürte. Links von ihr standen drei Kinder, ein magerer Junge mit geschorenem Kopf, von dem die Ohren wie zwei übergroße bräunliche Segel abstanden, und zwei kleinere Mädchen, die sie nicht weniger neugierig anstarrten. Die kräftigere von ihnen hatte ein rosiges Vollmondgesicht, und ihr Lächeln erinnerte Gemma an eine Abendbrise.
    »Angelina meint, du sollst nicht weinen«, sagte der Junge. »Und Cata will dich unbedingt trösten. Denn du bist hier im Haus der allerheiligsten Jungfrau. Und außerdem bist du doch schon viel zu groß, um so zu flennen!«
    Die beiden Mädchen nickten bedächtig zu seinen Worten, obwohl sie Gemma kaum alt genug schienen, um diese auch wirklich zu verstehen. Besonders die mit dem runden Gesichtchen wirkte plötzlich abwesend und begann nervös an ihren Händen zu zupfen, als durchliefen sie innerlich heftige Schauder. Zuerst wollte Gemma sich einfach abwenden, als hätte sie nichts gehört, dann jedoch rührte sie die unerwartete Anteilnahme der fremden Kinder.
    »Manchmal muss man aber trotzdem weinen«, sagte sie und erhob sich. »Auch wenn man schon erwachsen ist, denn das Leben kann auch für Große sehr grausam sein. Und ich finde, hier in der Kathedrale ist ein besonders guter Platz dafür.«
    »Lelio? Angelina? Cata? Wo steckt ihr drei denn schon wieder?«
    Die Frau, die schnellen Schritts näher kam, war hochgewachsen und schlank. Ein dunkler Umhang verhüllte ihr Gewand, und auch das Haar war züchtig mit einem dichten weißen Schleier bedeckt.
    »Hier sind wir, Mamma Lina«, rief der Junge. »Hier, bei einer wunderschönen Signora, die aber leider sehr, sehr traurig ist.«
    »Verzeiht, wenn meine kleinen Racker Euch gestört haben«, sagte die Fremde. Selten zuvor hatte Gemma eine angenehmere Stimme gehört, voll, ein wenig guttural, der alle Schärfe fehlte. »Sie müssen noch lernen, wie man sich in einem Gotteshaus richtig benimmt.« Sie nahm die Mädchen bei der Hand. »Und du, Lelio, komm jetzt auch!«, sagte sie. »Zuvor aber entschuldigt ihr euch. Und zwar schnell!«
    »Lasst nur«, sagte Gemma. »Sie haben mich aus trüben Gedanken gerissen, und das war genau das Richtige.«
    Lelio lächelte erleichtert.
    »Das da sind meine neuen Schwestern«, sagte er. »Die schlaue Angelina und die liebe kleine Cata. Manche glauben, sie sei

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