Die Sünderinnen (German Edition)
wahrscheinlich für Befragungen extra einstudierter Blick ruhte unverwandt auf ihm und erstickte jede Form von Heiterkeit. Kein Wunder, dass die Frau den verlassen hat, ging es Barnowski durch den Kopf.
»Das möchte ich lieber in Ruhe besprechen«, erklärte Barnowski.
Widerwillig führte der Hausherr ihn durch eine quadratische Diele mit teuren Perserteppichen und wahrscheinlich noch kostspieligeren Gemälden. In einer Art kombiniertem Wohn- und Musikzimmer, jedenfalls fiel Barnowski sofort ein riesiger Flügel vor der Fensterfront auf, durfte er sich in einen der beiden Clubsessel setzen. Winkler nahm ihm schräg gegenüber Platz.
»Leider habe ich schlechte Nachrichten«, erklärte Barnowski jetzt mit dem üblichen Kloß in der Stimme. »Ihre Frau ist ermordet worden.«
»Barbara?«, fragte Winkler, als gäbe es in seinem Leben tatsächlich noch andere Frauen.
Seine Stimme klang tonlos. Barnowski ließ ihm Zeit, die Information zu verarbeiten. Für einen Juristen brauchte er ungewöhnlich lange.
»Das musste ja so enden«, sagte er schließlich nach längerem Schweigen.
»Wie meinen Sie das?«, fragte Barnowski sichtlich erstaunt.
Winkler sah über den Flügel hinweg in den Garten hinaus und schwieg. Als er sich wieder dem Kommissar zuwandte, glaubte dieser, einen feuchten Glanz in den Augen zu erkennen.
»Wer mit dem Feuer spielt, der kommt darin um. So sagt man doch.«
»Und Ihre Frau hat mit dem Feuer gespielt.«
»Nun, wenn man sich mit wildfremden Menschen einlässt. Mit seinen Hausschlüsseln nur so um sich wirft.«
»Sie meinen Herrn Bodenthal?«
»Was weiß ich denn, wie sich ihr derzeitiger Liebhaber nennt. Vielleicht sind es ja auch mehrere.«
»Offensichtlich pflegen Sie keinerlei Kontakt mehr zu Ihrer Frau.«
»Ganz recht«, erklärte Winkler unüberhörbar zynisch. »Ich habe sie seit über einem halben Jahr nicht mehr gesehen. Selbst unsere letzte Begegnung war purer Zufall. Sie wollte noch einige persönliche Dinge vom Dachboden holen. Damals hatte ich das Schloss noch nicht ausgewechselt. Sie hat wohl nicht damit gerechnet, dass ich an diesem Tag früher nach Hause kommen und sie mir direkt in die Arme laufen würde.«
Er lachte kurz auf. Es klang unnatürlich, fast unheimlich. »Richtig erschreckt hat sie sich. Für sie war ich immer zu berechenbar, aber in diesem Fall hat sie sich verkalkuliert.«
»Ihre Frau hatte also mehrere Liebhaber, und Sie hatten keinen Kontakt mehr zu ihr. Ist das richtig?«
»Korrekt.«
Barnowski kramte einen Block hervor und notierte diese Aussage.
»Haben Sie Ihrer Frau eigentlich verziehen, dass sie Sie verlassen hat?«, fragte er mehr aus einer Laune heraus.
»Nein. Trotzdem habe ich ihr nicht gewünscht, ermordet zu werden.«
»Wo waren Sie gestern Abend zwischen achtzehn und zwanzig Uhr?«
»Ich weiß, dass Sie diese Frage stellen müssen«, erwiderte Winkler, »aber Sie verschwenden Ihre Zeit. Den Mörder müssen Sie woanders suchen.«
»Im Moment erheben wir einfach nur Daten. Und wir würden am wenigsten Zeit verschwenden, wenn Sie uns dabei mit einer korrekten Aussage helfen würden.«
»So genau kann ich das nicht angeben«, antwortete Winkler gefasst. »Habe wohl gegen achtzehn Uhr mein Büro in Mülheim verlassen. Ich nehme an, dass ich etwa eine halbe Stunde später hier angekommen bin.«
»Bestätigen kann das aber niemand?«
»Meine Sekretärin hat mit mir zusammen das Büro verlassen. Für meine Ankunft hier gibt es keinen Zeugen. Die Haushälterin arbeitet nur vormittags. Ich mag keine Dienstboten im Haus, wenn ich selbst anwesend bin.«
»Verstehe«, brummte Barnowski, obwohl er überhaupt nichts verstand, erst recht nicht, wie man sich von Dienstboten belästigt fühlen konnte.
Während Winkler sich plötzlich erhob und vor dem Flügel hin und her lief, malte Barnowski sich aus, wie ein mit kurzem Schürzchen bekleidetes Hausmädchen seine zugemüllte Wohnung auf Vordermann brachte.
»Wie genau ist sie gestorben?«, fragte Winkler, als habe er erst jetzt die Tragweite des Mordes begriffen.
»Man hat sie erstochen«, gab Barnowski nur so viele Details preis wie nötig.
»Erstochen also. Erstochen im Badezimmer, dieser Abgang würde zu ihr passen.«
In Barnowski schrillten die Alarmglocken. Wieso brachte Winkler das Bad ins Spiel? Er selbst hatte den Tatort mit keinem Wort erwähnt. Am besten redete er mit Pielkötter darüber, obwohl er sonst gerne Gespräche vermied, in denen er seine Alarmglocken einbrachte. Zu oft
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