Die Sumpfloch-Saga Bd. 2 - Dunkelherzen und Sternenstaub
war tatsächlich lila verfärbt, was vermutlich am Genuss der lila Stiefmutter-Blüten lag. Wenn Rackiné daran dachte, dass er auch schon olivgrüne und blutrote Blütenblätter gegessen hatte, dann schämte er sich für die vielen herausgestreckten Zungen der letzten Monate. Er würde seinen vielfältigen Abneigungen in Zukunft auf andere Weise Luft machen müssen. Das beschloss er und dann rannte er in den Garten zurück, um seinen Hunger an den Stiefmüttern mit den senfkackgelben Blütenblättern zu stillen, was ihm jedoch gründlich verging, als er seine Freundin Thuna bei den Unvergessenen Verwegenen stehen sah, wo sie Lars schöne Augen machte. Schöne, leicht schräg stehende Feenaugen!
„Ich dachte, du kommst gar nicht mehr nach Sumpfloch“, hörte er Thuna sagen.
„Da hab ich mir auch Sorgen gemacht“, erwiderte Lars. „Meine Eltern meinten, ich solle mich mehr um die Schule kümmern als um Sumpflochs Garten. Erst als mein Naturkreislauf-Lehrer ein gutes Wort für mich eingelegt hat, haben sie mich wieder fliegen lassen.“
„Aber ist es nicht teuer, jeden Tag den Flugwurm von Quarzburg zu nehmen?“
„Schon“, sagte er. „Es frisst fast meinen ganzen Lohn auf. Aber was ich hier lerne, lerne ich sonst nirgends. Ich liebe diesen Garten! Als ich gehört habe, dass Sumpfloch angegriffen wird, hatte ich riesige Angst um all die Pflanzen. Natürlich auch um die Schüler!“
„Oh, Frau Eckzahn hatte auch Angst um ihre Rosen!“
Blablabla. Thuna erzählte jetzt die Geschichte von Frau Eckzahn, Lars erzählte daraufhin eine langweilige Geschichte von Wunschtrollbabys, die er unter dem Flüsternden Wachsblumenkraut gefunden hatte. Danach redeten sie beide über den Klang der Kuhglockenblumen, der in diesem Sommer tiefer war als im letzten, und die ganze Zeit strahlte Thuna den blöden Lars an, als sei er ein Fotomat kurz vorm Abschuss des Bild-Einfang-Strahls.
Am Abend stellte Rackiné seine Freundin Thuna zur Rede, allerdings ohne Erfolg. Sie lachte ihn nur aus und ermahnte ihn, nicht so albern zu sein. Es sollte aber noch schlimmer kommen: Als Rackiné bei Einbruch der Nacht in den Garten sprang, um eine letzte Stiefmutter-Mahlzeit einzunehmen, prallte er just vorm ersten Bissen gegen einen unsichtbaren magikalischen Zaun. Der Schlag traf ihn so unerwartet, dass seine Ohren bis in die letzten Haarspitzen erzitterten und dann schlaff einknickten. Eine sagenhafte Wut wollte den Hasen überwältigen, aber noch während er die Fäuste ballte, beschlich ihn eine so große, mächtige Traurigkeit, dass sich aller Zorn in Melancholie verwandelte.
Rackiné verbrachte die längste Nacht seines Lebens im Schein des Mondes in unmittelbarer Nähe der unerreichbar gewordenen Stiefmütter und fasste einen Entschluss: Er würde nicht aufgeben. Er würde so lange um Thunas Aufmerksamkeit kämpfen, bis ihn dieses zauberhafte Fotomat-Strahlen traf, das Lars von ihr bekam, aber nicht verdiente. Rackiné würde den schrecklichen Lars besiegen und am Ende würde er ihm das Maul mit dem unsichtbaren, magikalischen Zaun stopfen, sodass die Welt für immer und ewig von seinen öden Wunschtrollbaby-Geschichten verschont blieb. Darauf ein Hasen-Ehrenwort!
Von diesen schlimmen Hasen-Sorgen wusste Maria nichts. Er verriet ihr kein Wort davon, weil er dafür zu stolz war. Außerdem merkte er, dass Maria gerade andere Dinge im Kopf hatte. Und zwar hauptsächlich sich selbst, was Maria aber nicht als Egoismus ausgelegt werden durfte. Es war nur so, dass sie während der Schlacht um Sumpfloch entdeckt hatte, dass sie in ihre eigenen Gedanken klettern konnte, indem sie von der einen Seite eines Spiegels auf die andere Seite eines Spiegels ging. Es war übrigens keinen Moment zu früh gewesen, als sie am Tag der Schlacht in den Spiegel der Spiegelfonkammer gestiegen war. Die Spiegelfonkammer, die gerade dabei gewesen war, umzukippen, wurde noch während des Umkippens von einer Krümelgranate getroffen. Die Krümelgranate machte ihren Namen alle Ehre und verwandelte die alte Spiegelfonkammer in einen Haufen winziger Holzspäne und Glasscherben.
Maria bekam davon nichts mit. Jenseits des Spiegels, im Inneren ihrer eigenen Gedanken, war es gemütlich still und bequem. Maria bemerkte nur, dass der Spiegel, durch den sie ihren Kopf betreten hatte, plötzlich verschwand. Es beunruhigte sie kaum, ahnte sie doch, dass es auch noch andere Ausgänge (also Spiegel) in der Festung gab. Außerdem war Maria in der sicheren, wohligen
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