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Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein

Titel: Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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dann ist das ein »weise« angelegter Garten. Viel Spaß dabei. Sie haben es da mit einer Gleichung mit einer großen Zahl von Variablen zu tun. Und alle haben Einfluss aufeinander.
     
    Das ist ein kompliziertes Gewebe aus Ursachen und Wirkungen. Wenn der Gärtner ganz am Anfang ist, hoffnungsvoll zwar, aber unerfahren, dann kann ihn das echt fertigmachen. Und da reden wir noch gar nicht vom unendlichen Spaß der Taxonomie, also der Ordnungs- und Klassifikationslehre der Pflanzen und ihrer Namen, die jede Menge Überraschungen bereithält, wie etwa die Unterscheidung zwischen der Hosta sieboldiana und der Hosta sieboldii , die Blaublattfunkie die eine, die über blaugrüne Blätter verfügt, die Weißrandfunkie die andere, deren Blätter eine weiße Randzeichnung aufweisen. Wobei die Blaublattfunkie aber auch in der Sorte ‘Semperaurea’ vorkommt, deren Blätter eigentlich gar nicht blaugrün sind, sondern gelbgrün, und die Weißrandfunkie auch als H. sieboldii var. sieboldii, deren Blätter keinen weißen Rand haben, dafür aber eine blaugrüne Farbe aufweisen. Es ist mit dem Garten wie mit vielen anderen Dingen im Leben: Wenn man keine Ahnung hat, denkt man, es ist leicht. Wenn man ein bisschen Ahnung hat, fürchtet man, es ist nicht zu bewältigen. Und wenn man ein bisschen mehr Ahnung hat, sieht man: Es geht schon.
    Was die Planung angeht, lässt sich also sagen: Sie ist sehr wichtig. Aber es geht auch ohne. Allerdings werden Sie das bereuen. Ob die Furcht vor dieser Reue Sie dazu treibt, doch auf die Planung zu setzen, ist im Wesentlichen eine Charakterfrage und fällt damit aus dem Zuständigkeitsbereich dieser Betrachtung heraus.
     
    Ja, mach nur einen Plan
    Sei nur ein großes Licht
    Und mach dann noch ’nen zweiten Plan
    Gehn tun sie beide nicht.
    Denn für dieses Leben
    Ist der Mensch nicht schlau genug
     
    Das hat auch Brecht geschrieben.
     
    Die Frage ist, in welcher Verfassung treffen Sie und Ihr Garten aufeinander. In welchem Stand des Wissens befinden Sie sich. Und in welchem Zustand von Pflege oder Verwahrlosung befindet sich Ihr Garten.
     
    Der Gärtner sympathisiert mit der Annahme, dass langsames, schrittweises, sozusagen organisches Wachstum weit ausholenden Großmaßnahmen grundsätzlich vorzuziehen ist. Das gilt für Sie und für Ihren Garten. Die Natur macht keine Sprünge und der Gärtner sollte das auch nicht tun. Das bedeutet, es ist nur scheinbar von Vorteil, wenn Ihr Garten einem jungfräulich erdigen Acker gleicht, bar jeder Pflanze, der darauf wartet, von Ihnen bestellt zu werden. Sie müssen sehr abenteuerlustig sein oder sehr kundig oder sehr viel Zeit haben, wenn Sie sich dem stellen. Und dennoch wird dann sehr viel schiefgehen. Besser ist es, Sie übernehmen einen bereits angelegten Garten, ganz gleich wie weise oder unweise angelegt. Sie können anknüpfen, aufbauen, weitergehen und vor allem lernen. Selbst in der umfassenden Verwilderung können Sie ja noch Spuren vergangener Pläne erkennen: ein Blumenbeet, weil die Sonne hier günstig ist, eine Hecke, weil Windschutz hier nottut, eine Rhododendron-Bepflanzung, weil der Boden das hier erlaubt. Was hatte der Vorgänger im Sinn? Wo ist es ihm gelungen und wo ist er gescheitert? Wenn Sie genau hinsehen, werden Sie diese Fährten in die Vergangenheit an vielen Orten erkennen. Es ist also, bevor sich einer mit der Zukunft befasst, hilfreich, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen: Zäune, Steine, Wegplatten, Terrassen oder ihre Überreste und Bruchstücke deuten darauf hin, welche räumliche Struktur ein Garten einmal hatte. Spaliere, Stangen und Gerüste zeigen, welche Pflanzen dort einmal wuchsen, und wenn Sie den Spaten in den Boden stecken, wissen Sie nie, worauf Sie stoßen.
     
    Ein Mensch ist zu beneiden um den ersten Moment in seinem neuen Garten. Wenn alles noch vor ihm liegt. Wenn die Zukunft weit ist wie ein Feld und der Baum der Möglichkeiten sich in den Himmel verzweigt. Übrigens muss man dafür nicht umziehen und auch nicht das Haus des Nachbarn einreißen und sein Grundstück dem eigenen hinzufügen. Es lässt sich ja auch denken, dass Sie schon seit langer Zeit an einem Ort wohnhaft sind und eines Tages beschließen, sich Ihrem Garten zuzuwenden. Vielleicht wurde er bis dahin von Ihrer Schwiegermutter versorgt, welche nun bedauerlicherweise ins Altenheim verlegt werden musste. Oder Sie hatten das Grundstück an den benachbarten Kindergarten verpachtet, damit die Kleinen mehr Platz zum Spielen haben –

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