Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein
Von wegen königliches Schloss!
Das Ensemble bekommt mehr und mehr Ähnlichkeit mit dem Wehrturm des Grafen von Anjou, Fulko Nerra, der bekanntlich ein Sohn von Gottfried Graujacke war und sich vor allem mit seinem bretonischen Erzrivalen Conan dem Krummen heftige Kämpfe lieferte. Ach, überschaubares Mittelalter: ein Hügel und darauf ein Turm, ein paar bewaffnete Männer zu Pferde und schon liegen einem ganze Landstriche zu Füßen, in denen man nach Herzenslust plündern und brandschatzen kann. Jedenfalls habe ich die ursprüngliche Planung, einen barocken Schlossgarten anzulegen, der sich in Gestalt, wenn schon nicht in Größe, an jenem von Nymphenburg anlehnt, in aller Stille aufgegeben. Ich werde mich jetzt doch mehr an zeitgenössischen Schilderungen des Hofes von König Arthur orientieren. Das Dach wird mit schwarzem Schiefer gedeckt, die Türme mit Kupfer, und sie sollen zwei kleine Spitzen oben haben. Ein Wetterhahn war mir zu affig. Allerdings suche ich im Internet immer noch kleine Gargoyles, die ich auf die Zinnen setzen kann. Wir freuen uns alle auf die Enten. Besonders der Hund. Wir werden sie Sacco und Vanzetti nennen. Sie sollen in diesem Herbst kommen.
Bis dahin ist es nicht mehr weit. Jetzt ist Spätsommer. Das Jahr des Gärtners steht kurz vor der Erfüllung. Die Pflanzen werden langsam müde. Ganz gleich, ob das Jahr reich an Regen war oder ob der Gärtner eifrig gedüngt hat, es breitet sich jetzt eine große Schläfrigkeit aus.
Wenn Sie Ihre Stauden rechtzeitig im Sommer zurückgeschnitten haben, dann trumpfen Geranium endressii und die Katzenminze noch einmal kräftig auf. Aber die Farne fangen an herumzulungern. Die Fetthenne lässt sich gehen. Und im milden Licht der tieferstehenden Sonne leuchten schon die Früchte des kommenden Herbstes: blassrot am Cornus kousa, dem Asiatischen Blüten-Hartriegel, orangerot an der Eberesche, Sorbus aucuparia. Vogelbeere heißt der Baum auch und das nicht umsonst. Es ist ein Jammer, dass es nie gelingt, die wunderhübschen Beeren der Eberesche in den Winter zu retten. Wie lauter kleiner Weihnachtsschmuck sehen sie im blattlosen Astwerk aus und könnten in den grauen Monaten ein Zeichen der Hoffnung sein. Aber die Vögel holen sie vorher, bis zur letzten Beere, und wenn der Frost kommt, ist der Baum ganz nackt.
Es gibt allerdings eine Pflanze, die jetzt, da den anderen langsam die Lust vergeht, erst zu ihrer Entfaltung kommt: der Rhododendron auriculatum. Ein großartiger Rhododendron, der zu einem gewaltigen Busch heranwachsen kann. Das braucht aber Zeit. Auch auf die Blüte muss man ein paar Jahre warten. Dann aber wird man im Spätsommer mit herrlichen, großen, weißen, lilienförmigen Blüten belohnt, die über langen, matten Blättern stehen. R. auriculatum sieht ganz anders aus als seine Verwandten. Er stammt aus den Bergen Chinas und wurde erst vor gut hundert Jahren in Europa eingeführt. Darum ist er auch so selten. Ich selber weiß gar nicht, wo man ihn in einer anständigen Größe bekommen kann. Aber als ich neulich im Garten von Irene Hoch war, um ein Gespräch über herbstblühende Krokusse und frühjahrsblühende Herbstzeitlose zu führen, habe ich ihn bemerkt. Ein prächtiges Exemplar. Man kann es von der Straße aus nicht sehen. Es steht hinter dem Haus rechts, und als ich daran vorüberging, habe ich mich über den sonderbaren Schneeball gewundert, der da steht, so dicht und groß und eindrucksvoll, mit einer ganz anderen, vornehmeren Ausstrahlung, als man das von dem gartenüblichen Viburnum ryhtidophyllum sonst so kennt, der mit seinen traurigen, länglichen, runzeligen Blättern wirklich kein guter Botschafter für diese eigentlich reiche Gattung ist.
Irene Hoch war ja bis vor einiger Zeit die Chefin der Zwiebelhandlung, auf deren Katalog ich in jedem Spätsommer mit Spannung warte. Die Firma Albrecht Hoch ist für Berliner Verhältnisse eine Traditionsfirma. Wenn ihre Geschichte auch nicht ganz so lange zurückreicht wie die mancher englischer oder holländischer Zwiebel-Firmen, die in diesem Gewerbe schon seit über zweihundert Jahren tätig sind – vom Inbegriff aller Traditionsunternehmen, Ollivanders, dem Hersteller hochwertiger Zauberstäbe seit 382 vor Christus, ganz zu schweigen.
Die Firma Albrecht Hoch, Zehlendorf, wurde im Jahr 1893 gegründet und versorgte Landwirte und Gärtnereien mit Samen und Saatgut.
Auf Albrecht folgte sein Sohn, der nach den Maßgaben des Reichsnährstandes vom Dienst an
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