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Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein

Titel: Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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der Waffe befreit war, um den deutschen Volkskörper auch in Zeiten des Krieges mit sortenreinem Samen zu versorgen. Er fand eines Tages den Tod im Oderland, als eine alliierte Bombe auf eine jener niedrigen, langgestreckten Hallen fiel, in denen das Saatgut zubereitet, sortiert und gelagert wurde.
    Seinem Sohn Hans-Jürgen fiel, wie so vielen Söhnen jener Zeit, die schwierige Aufgabe des Wiederaufbaus zu. Nachdem das Berliner Hinterland verloren war, beschränkte sich die Firma Albrecht Hoch von Neukölln aus auf die Belieferung der Berliner Bauern, die in den Ortsteilen Rudow und Buckow noch weitläufige Felder unterhielten. Aber das war kein Geschäft mit Zukunft: Die Mauer umschloss Berlin, die Felder verschwanden, bald wurden die hohen Häuser der Gropiusstadt gebaut.
    Hans-Jürgen Hoch kehrte Neukölln den Rücken und machte sich auf den Weg nach Westen, nach Zehlendorf, um sich dort von nun an der Bereicherung der deutschen Gartenkultur zu widmen. Es ist nicht bekannt, wie er auf die Idee des Versandhandels mit Blumenzwiebeln kam. Es war jedenfalls die richtige Idee. Insbesondere um die postalische Verbreitung der Lilien im deutschen Garten hat sich die Firma Hoch bleibende Verdienste erworben.
    Die Eheleute Hoch fanden sich bereits in jungen Jahren, und man kann sagen, dass sie Hand in Hand arbeiteten. Irene Hoch brachte für die Beschäftigung mit Blumenzwiebeln keine besonderen Vorkenntnisse mit in die Ehe. Sie verfügte allerdings über eine Vorliebe für Farben, die sie an der Meisterschule für Kunsthandwerk vervollkommnet hatte. Inzwischen hat diese Berliner Lehranstalt ihren Namen geändert und nennt sich Universität der Künste.
     
     
     
    Irene Hoch nähert sich dem Winter ihres Lebens. Sie raucht und sitzt in ihrem Wohnzimmer, umgeben von Bildern, die blühende Zwiebelpflanzen zeigen.
    »Eines Tages, wenn ich die Augen schließe, wird einer die Kinder betrügen, weil sie gar nicht wissen, dass diese ganzen Bilder handgemalt sind. Sehen Sie?«
    Ihre Kinder?
    »Ja, zwei. Die Tochter ist Psychologin, der Sohn ist ins Speditionsgeschäft gegangen. Die haben beide Häuser mit Grundstück, ganz in der Nähe. Die Gärten sind nicht sehr groß. Wie das Zimmer hier, ungefähr. Aber da wird nichts gepflanzt. Das interessiert die nicht richtig. Ulkig, nicht wahr?«
    Irene Hoch schweigt und raucht weiter.
    »Ich suche immer Leute, die sich für die Bücher interessieren. So viele Bücher habe ich. Als er tot war, habe ich angefangen, Bücher zu kaufen. Ich musste ja was lernen. Ich konnt’ doch die Firma nicht weiterführen und von Tuten und Blasen keine Ahnung haben. Das ging nicht. Malen konnte ich ja. Aber von Blumen wusste ich gar nichts. Also habe ich gelesen und gelesen und gelesen. Ich habe auch angefangen, alte Möbel zu kaufen. Der Schrank da, das ist mein Lieblingsstück. Das passt alles so schön zusammen. Wenn ich Sie das mal fragen darf, ob das alles passt?«
    Ja, das passt sehr schön.
    »Sehen Sie. Ich war ja Meisterschule für Kunsthandwerk. Aber dann hat mich die Schönheit der Natur ganz ergriffen. Ohne Literatur geht das aber nicht. Du musst lesen, habe ich mir gesagt. Ich habe jetzt so viele Bücher.«
    Sie haben sich mit Ihrem Mann gut verstanden?
    »Ja, sehr. Er ist nur so schnell gestorben. Ach, wir waren viel zu kurz verheiratet. Es waren ja nur drei Jahre.«
    Aber Frau Hoch, Sie sind 79, er ist 1982 gestorben. Da waren Sie 49. Sie haben mit 20 geheiratet. Sie hatten etwa dreißig Jahre zusammen.
    »Wirklich? Mir kommt es so vor, als seien es nur drei gewesen.«
    Es hat den Gärtner dann noch gefreut zu erfahren, dass diese Frau, die von der Meisterschule für Kunsthandwerk durch den frühzeitigen Tod ihres geliebten Mannes in die rauhe See des internationalen Zwiebelhandels geworfen wurde und sich da so gut behaupten konnte, die also ein langes Leben den Farben im Garten gewidmet hat und deren Ordnung, dass also diese Frau mit Gelb gar nichts anfangen kann. Mir geht es da nämlich genauso. Im Frühjahr, da sind wir uns einig, geht es nicht ohne Gelb. Da freut man sich über Crocus chrysanthus ‘Sunkist’ und natürlich über die Narzissen. Aber danach, sagt Irene Hoch, ist Schluss mit Gelb.
     
    Für Goethe war das Gelb, neben dem Blau, eine der beiden Grundfarben.
     
    »Die nächste Farbe am Licht«, heißt es in der Farbenlehre: »Sie führt in ihrer höchsten Reinheit immer die Natur des Hellen mit sich und besitzt eine heitere, muntere, sanftreizende Eigenschaft.« Goethe

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