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Die Tage des Regenbogens (German Edition)

Die Tage des Regenbogens (German Edition)

Titel: Die Tage des Regenbogens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonio Skármeta
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auf die Streitkräfte setzen noch auf die Unterstützung der USA. Und noch etwas hat er nicht, was er 1973 hatte.«
    »Und das wäre, Bettini?«
    »Jemanden, den er stürzen könnte! Oder wird Pinochet uns den Gefallen tun, sich selbst zu stürzen?«
    »Der General wird als großer Demokrat in die Geschichte eingehen. Nennen Sie mir einen ›Diktator‹, der eine Volksbefragung durchführt und anschließend, wenn er verliert, nach Hause geht … Ruhen Sie sich nicht auf Ihren Lorbeeren aus, mein Freund. Dieses Land muss mit fester Hand geführt werden und nicht mit dümmlichen Liedern wie ›Es kommt gut, Nein zu sagen‹.
    »Was ist der Grund Ihres Anrufs, Herr Exminister?«
    »So was! Vor lauter Plaudern habe ich das ganz vergessen. Bettini: Schauen Sie mal aus dem Fenster, dann werden Sie sehen, dass in der Straße ein graues Auto ohne Nummernschild steht …«
    »Ja, ich sehe es.«
    »Gut. Das sind meine Boys.«
    »Ja, das sieht man, dass das Ihre Boys sind.«
    »Wie viele sind es?«
    »Drei, vier … Das volle Aufgebot.«
    »Was machen sie gerade?«
    »Sie sind alle ausgestiegen. Der eine raucht, und die anderen trinken Wasser aus Plastikbechern. Es ist brüllheiß.«
    »Gut. Bitte, gehen Sie zu ihnen und sagen Sie ihnen, sie sollen sich zurückziehen. Sagen Sie ihnen, ich hätte meine Pläne geändert.«
    »Ehrlich gesagt möchte ich jetzt nur ungern das Haus verlassen.«
    »Sie brauchen keine Angst zu haben, Bettini. Sagen Sie ihnen Folgendes: Coco möchte, dass ihr verduftet.«
    »›Coco möchte, dass ihr verduftet.‹«
    »Ecco. Und die Sache ist erledigt.«
    »Danke, das ist sehr freundlich von Ihnen. Darf ich fragen, warum Sie das tun?«
    »Wenn man mit dem Essen fertig ist, muss man das Geschirr spülen. Heute du, morgen ich. Man sieht sich immer zweimal im Leben, Bettini.«
    Die Verbindung brach ab. Er legte den Hörer langsam auf die Gabel. Wie in Trance. Als würde er etwas beschwören.
    Er war allein zu Hause. Vor dem Garderobenspiegel steckte er sich das alte Rolling-Stones-T-Shirt mit der rausgestreckten Zunge in die Hose. Konzentriert schnürte er sich die Basketballschuhe zu. Er brauchte eine Ewigkeit, bis er die Schnürsenkel durch die oberen Ösen gefädelt hatte.
    »Coco möchte, dass ihr verduftet«, murmelte er vor sich hin. Wie lange würde dieser Albtraum noch andauern?
    Er öffnete vorsichtig die Haustür, die Sonne knallte ihm ins Gesicht, und für eine Sekunde war er blind. Er hielt sich die Hand über die Augen und richtete seinen Blick auf die andere Straßenseite zu den Männern am Auto.
    Der eine von ihnen, der Raucher, warf seine Zigarette auf den Asphalt und drückte sie mit dem Schuh aus.
    Ein anderer stellte den Plastikbecher, aus dem er trank, auf die Kühlerhaube.
    Der Dritte warf den seinen auf die Straße und massierte anschließend mit dem Daumen seine Handfläche.
    Der Letzte trank weiter, er wirkte gleichgültig.
    »Weg. Weg da«, murmelte Bettini und schritt auf sie zu.
    Und als er schon direkt vor ihnen stand, streckte er den Arm weit von sich weg und zeigte zum Horizont.
    »Schert euch zum Teufel!«

VIERZIG
    D ie Telefonzelle an der Ecke ist leer, ich habe die Münze in der Hand, doch ich kann mich nicht entschließen anzurufen. Auf dem Heimweg beschließe ich, mir mit Thunfisch gefüllte Tomaten zu machen. Ich kaufe im Laden ein Brot und einen Apfel. Besonders mag ich die grünen, säuerlichen.
    Im Aufzug steht mit schwarzem Filzstift: »Wir gewinnen, jäh!«, und auf der anderen Seite hat jemand mit dem Messer »Nora« eingeritzt. Ich will gerade die Wohnungstür aufschließen, als diese sich von innen öffnet. Mich empfängt Patricia Bettini. Sie trägt ihre Schuluniform, hellblaue Bluse, blaue Krawatte und Karorock, dazu weiße Kniestrümpfe. Ich überspiele meine Überraschtheit. Das tue ich immer, denn ich finde das cool. Dabei hätte ich allen Grund, mich zu wundern: Ich habe meiner Freundin nie einen Schlüssel zu meiner Wohnung geben.
    Wohl aber Laura Yáñez.
    Und da kommt sie auch schon aus der Küche und legt Patricia Bettini den Arm um die Schulter.
    Sie zwinkert mir zu.
    Während ich mit dem Schlüsselbund in der Hand spiele, passieren zwei Dinge: Auf Patricia Bettinis Gesicht tritt ein Lächeln, so breit, dass ihr aus der Reihe tanzender Schneidezahn sichtbar wird, und hinter ihr taucht, eine Zigarette im Mund, Señor Santos auf.
    Nein.
    Das ist nicht ganz richtig. Zuerst erscheint die Qualmwolke, erst danach Señor Santos mit der Zigarette im

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