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Die Tage des Zweifels: Commissario Montalbano träumt von der Liebe (German Edition)

Die Tage des Zweifels: Commissario Montalbano träumt von der Liebe (German Edition)

Titel: Die Tage des Zweifels: Commissario Montalbano träumt von der Liebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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abstellen, um aufschließen zu können.
    Als er dann endlich abhob, war nur noch das Leerzeichen zu hören.
    Dass er es aber auch nie rechtzeitig ans Telefon schaffte!
    Bestimmt hatte Laura angerufen.
    Was jetzt? Sollte er sie anrufen? Und wenn sie es doch nicht gewesen war? Da klingelte es erneut.
    »Laura!«
    Am anderen Ende der Leitung war es totenstill. Belästigte ihn etwa schon wieder dieser Schafskopf Bonetti-Alderighi?
    »Wer spricht da?«
    »Hier ist Livia.«
    Der Schweiß trat ihm aus allen Poren.
    »Und ich hätte gern gewusst, wer diese Laura ist.«
    In seiner Verzweiflung wusste er sich nicht anders zu helfen, als loszulachen.
    »Haha!«
    »Findest du die Frage so lustig?«
    »Du bist eifersüchtig, stimmt’s?«
    »Natürlich. Antworte mir, aber ohne dass du so tust, als wärst du unzurechnungsfähig.«
    Sie sprach im selben Ton wie Bonetti-Alderighi.
    »Du wirst es nicht glauben, aber als du angerufen hast, hab ich gerade darüber nachgedacht, wie die Herzensdame von Petrarca hieß, und dann ist es mir genau in dem Moment wieder eingefallen, als ich den Hörer ab … auf … an …«
    »… zu … aus … gegen«, ergänzte Livia. »Und du denkst, ich bin so blöd, auf eine so billige Ausrede reinzufallen?«
    Der Schweiß tropfte ihm von der Stirn und rann ihm in die Augen, sodass er nichts mehr sehen konnte, und der Hörer rutschte ihm aus der Hand.
    »Entschuldige, kann ich dich in fünf Minuten wieder anrufen?«
    »Nein«, sagte Livia und legte auf.

Fünfzehn
    Dieser Anruf von Livia hatte ihm gerade noch gefehlt. Tief deprimiert holte er die Flasche herein, die er vor der Haustür abgesetzt hatte, stellte sie auf den Verandatisch, wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser und ließ sich schließlich auf die Bank sinken.
    Worüber wollte er eigentlich nachdenken?
    Ach ja, darüber, warum er nur Wut empfand, aber weder Bedauern noch Schmerz.
    Musst du dich denn ausgerechnet jetzt damit befassen, wo du derart wirr im Kopf bist? Kann das nicht warten?
    Nein, jetzt ist genau der richtige Moment dafür. Und such bloß nicht nach irgendwelchen kindischen Ausflüchten.
    Los, los, nur Mut, mach schon.
    Wann verspürt man eigentlich Wut? Antworte.
    Na ja, dafür kann es viele Gründe geben …
    Nein, nicht so weit ausholen, nicht um den heißen Brei herumreden, wie der Polizeipräsident es nennen würde. Bleib bei deinem konkreten Fall. Die Frage ist ganz klar: Warum hast du dich geärgert, als Laura es abgelehnt hat, sich mit dir zu treffen?
    Weil ich große Lust hatte, sie zu sehen und …
    Ganz sicher?
    Na klar.
    Nein, du machst dir was vor. Du bist wie einer, der beim Patiencenlegen trickst.
    Aber warum dann?
    Das kann ich dir sagen. Weil du nicht bekommen hast, was du wolltest.
    Wenn du es so sagst, klingt es richtig schäbig. Als ginge es mir nur …
    Ach? War das etwa nicht deine Absicht?
    Unsinn, red keinen Quatsch!
    Quatsch? Hör mal, wenn dir wirklich etwas an ihr liegen würde, wärst du jetzt traurig, verzweifelt – du kannst dir was aussuchen.
    Erklär mir das genauer.
    Wenn du wütend bist, heißt das, dein Gefühl für Laura ist keine wahre Liebe. Deine Wut bedeutet nämlich, dass du Laura als etwas betrachtest, was du zu fassen kriegen willst, was sich dir aber im letzten Moment entzieht.
    Du meinst, ich betrachte sie als eine … ein …
    Sagen wir, einen Fisch. Einen Fisch, den du mit dem Kescher fangen willst. Du schaffst es zwar, ihn in den Kescher zu bekommen, aber in dem Moment, in dem du ihn hochziehen willst, springt der Fisch aus dem Kescher wieder zurück ins Wasser. Und du stehst da wie ein Trottel, mit dem leeren Kescher in der Hand. Deswegen ärgerst du dich.
    Und was wäre es dann, was ich für sie empfinde?
    Faszination, Begehren, Eitelkeit. Vielleicht betrachtest du sie auch als eine Art Rettungsanker, um nicht im Meer des Alters unterzugehen.
    Es ist also keine Liebe?
    Nein. Und ich sage dir noch etwas: Wenn du ernsthaft verliebt wärst, würdest du sogar versuchen, ihre Beweggründe und ihre Zweifel zu verstehen.
    Das ging etwa zwei Stunden lang so hin und her. Als die Flasche dann endlich leer war, verschränkte er die Arme auf dem Tisch und ließ den Kopf darauf sinken. Sofort fiel er in einen unruhigen Halbschlaf.
    Die morgendliche Kühle weckte ihn.
    Er ging ins Haus, nahm eine heiße Dusche, rasierte sich und trank seine übliche große Tasse Espresso.
    Ihm ging nur eine einzige Frage durch den Kopf: Würde er es fertigbringen, Laura nicht mehr zu sehen?

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