Die Tage des Zweifels: Commissario Montalbano träumt von der Liebe (German Edition)
Polizeipräsident sah ihn verdutzt an.
»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?«
Montalbano machte ein entrüstetes Gesicht.
»Das würde ich mir niemals erlauben!«
»Dann reden Sie keinen Schwachsinn und antworten Sie!«
»Gestatten Sie mir eine Bemerkung?«
»Nein.«
Montalbano sagte nichts.
»Antworten Sie!«
»Wenn ich meine Bemerkung nicht loswerden darf …«
»Na los, spucken Sie sie aus, und antworten Sie dann endlich auf meine Frage!«
»Die Bemerkung ist folgende: Ich muss Sie in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, dass Sie vergessen haben, mir die Frage zu stellen.«
»Ach ja. Sehen Sie? Sie sind der Einzige in diesem ganzen Haus, der es schafft, mich derart auf die Palme zu bringen, dass ich ganz …«
»Verwirrt? Verstört? Durcheinander? Aus dem Häuschen bin?«
»Genug, Herrgott noch mal! Sparen Sie sich Ihr dummes Gerede! Also noch einmal, warum haben Sie es nicht für nötig erachtet, den Staatsanwalt und mich davon in Kenntnis zu setzen? Können Sie mir das erklären?«
»Wie haben Sie es denn erfahren?«
»Stellen Sie keine unsinnigen Fragen! Antworten Sie und basta!«
Mit diesem ewigen Katz-und-Maus-Spiel brachte Bonetti-Alderighi ihn noch um die Verabredung mit Laura. Montalbano beschloss, der Sache ein Ende zu setzen.
»Ich habe es komplett vergessen.«
»Sie haben es … vergessen?!«, wiederholte der Polizeipräsident. Er schien wirklich verblüfft zu sein.
Montalbano breitete die Arme aus.
Bonetti-Alderighi lief rot an wie eine Tomate. Er knurrte wie ein Löwe und trompetete wie ein Elefant, dass man sich vorkam wie im Zoo.
»Wa… was bilden Sie sich eigentlich ein? Glau… glauben Sie, Sie führen eine Privatdetektei?«, schrie er, vor Wut stotternd, und stand dabei sogar auf, um dem Commissario mit dem Zeigefinger zu drohen.
»Nein, aber …«
»Mund halten!«
Was denn, ging das jetzt wieder los mit dieser Litanei? So wurden sie ja nie fertig!
»Und jetzt hören Sie mir mal genau zu«, donnerte der Polizeipräsident. »Er wird Ihnen entzogen! Und zwar augenblicklich!«
»Wer denn?«
»Der Fall. Ab sofort übernimmt Dottor Mazzamore.«
Den Namen hatte er nie gehört, Mazzamore war wohl noch nicht lange dabei. Alle vierzehn Tage kam jemand Neues. Das Polizeipräsidium von Montelusa war anscheinend eine Art Durchgangsstation.
Nur diese Nervensäge Bonetti-Alderighi blieb fest auf ihrem Posten.
Montalbano wollte schon Einspruch erheben, doch dann fiel ihm ein, dass er auf diese Weise mehr Zeit für Laura hätte.
»Nun gut, wenn Sie gestatten, dann ziehe ich mich jetzt zurück«, sagte er. Er wollte schnell weg.
Er stützte sich auf den Besenstiel, stand stöhnend auf und machte ein schmerzverzerrtes Gesicht.
Der Polizeipräsident blieb ungerührt.
»Wo wollen Sie hin?«
»Ich fahr nach Hause und leg mich hin …«
»Hahaha!«, ließ der Polizeipräsident ein teuflisches Lachen hören.
»Verzeihung, was gibt’s denn da zu lachen?«
»Sie werden nicht nach Hause fahren!«
Montalbano wurde blass. Einen Augenblick fürchtete er, Bonetti-Alderighi wolle ihn verhaften lassen. Dazu imstande war er allemal. Doch er fuhr fort:
»Sie gehen jetzt rüber zu Dottor Lattes, der schon auf Sie wartet, um die Bestandsaufnahme der vernichteten Akten zu machen.«
Montalbano war wie vor den Kopf gestoßen. Seine Beine gehorchten ihm nicht mehr, er konnte keinen Schritt tun.
»Gehen Sie schon! Gehen Sie!«, scheuchte ihn Bonetti-Alderighi fort.
Montalbanos Weg durch das Vorzimmer – das er humpelnd verließ, um nicht aus der Rolle zu fallen – war mit Flüchen gepflastert.
Auch Lattes nahm keine Notiz von seiner Aufmachung als sardischer Schafhirt, sondern bestürmte ihn gleich mit der Frage:
»Wie geht es Ihrem Kleinen?«
»Er ist gestorben«, antwortete er finster.
Er war dermaßen genervt, dass ihm das Versprechen, das er Livia gegeben hatte, scheißegal war.
Lattes stand auf und umarmte ihn.
»Mein allerherzlichstes Beileid.«
Vielleicht gab es ja doch einen Ausweg. Montalbano drückte das Gesicht an seine Schulter und schluchzte.
»Und statt bei meinem Kleinen zu sein … bin ich gezwungen, hier …«
»Aber ich bitte Sie!«, sagte Lattes und umarmte ihn noch fester. »Fahren Sie nach Hause! Alles andere kann warten!«
Montalbano hätte ihm fast die Hand geküsst.
Als er Lattes’ Büro verließ, war es kurz nach zehn. Er ließ den Aufzug links liegen, der ihm viel zu langsam war, sprang die Treppe hinunter und lief zum Auto.
»Wir fahren
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