Die Tallinn-Verschwörung - Thriller
Vollbart trugen, war es nicht ratsam, sich den abgesperrten Bezirken im Nordwesten Tallinns zu nähern. Wer es dennoch versuchte, dem wurde für einige Tage die überwältigende Gastfreundschaft der estnischen Polizeikräfte zuteil, inklusive eines Besuchs durch Terrorabwehrspezialisten, die viele Fragen stellten und sehr ärgerlich wurden, wenn sie nicht die gewünschten Antworten erhielten.
Selbst Torsten hatte bei seinen Wanderungen durch die
Stadt schon zweimal seinen Dienstausweis zücken müssen, um allzu eifrige Sicherheitsleute daran zu hindern, ihn genauer unter die Lupe zu nehmen. Dabei sah er wirklich nicht aus wie ein Araber oder Tschetschene.
Die Nervosität war allenthalben zu spüren, und sie sorgte auch dafür, dass Graziella nach einer ersten Shoppingtour durch Tallinn lieber im Hotel blieb, als andauernd über Uniformierte zu stolpern oder vom Gehsteig gescheucht zu werden, wenn wieder einmal ein Polit-Promi vorbeikam.
Torsten war ganz froh darüber, denn von zu Hause immer mit einem guten Taschengeld ausgestattet, war Graziella bei ihren Einkäufen nicht sparsam. Zuerst pumpte sie ihn und dann Petra an, um wenigstens im Hotel und in den umgebenden Geschäften auf Beutezug gehen zu können. Die Klamotten, die sie kaufte, standen ihr ausgezeichnet, und Torsten begriff erst jetzt so richtig, was für eine aufregende Erscheinung sie war. Sogar Petra, die sich sonst nichts aus ihrem Aussehen machte, wurde ein wenig neidisch, als sie Graziella das erste Mal im modischen Stil einer wohlhabenden Italienerin gekleidet sah, und vergaß darüber am Abend in der Hotelbar sogar ihren geliebten Computer.
Am nächsten Morgen hatte sie einen schweren Kopf vom Saaremaa-Bier und Schwarzem Balsam und stöhnte zum Steinerweichen. Bisher hatte Torsten sich über Petra nicht beklagen können, doch diesmal baute er sich vor ihr auf und putzte sie herunter. »Was musst du auch so viel saufen, wenn du es nicht verträgst?«
Sie kniff die Augen zusammen und griff sich an den Kopf. »Schrei nicht so laut. Mir geht es nicht gut!«
»Du solltest mir heute Vormittag den neuesten Stand der Sicherheitsmaßnahmen besorgen, damit ich die Lücke finden kann, die Hoikens nutzen wird.« Torstens Wut wuchs, aber er mäßigte seine Stimme.
Petra sah ihn an wie ein sterbender Schwan. »Mein Gott! Du hast gestern keine Lücke gefunden und vorgestern auch nicht. Glaubst du, du findest heute eine?«
»Wenn ich nicht danach suche, sicher nicht. Warte, ich besorge dir ein Aspirin und einen Liter starken Kaffees. Dann aber nichts wie ran an den Computer. Hoikens kann jeden Augenblick zuschlagen.«
Da Torsten so sehr drängte, kämpfte Petra sich aus dem Bett und wankte ins Badezimmer. Als sie wieder herauskam, sah sie zwar immer noch blass aus, schien aber wieder halbwegs auf den Beinen zu sein.
Als sie den Computer einschaltete, konnte sie bereits wieder grinsen. »Na, was sagst du zu unserer rassigen Römerin? Mir sind gestern beinahe die Augen aus dem Kopf gefallen, als ich sie in ihrem neuen Kleid gesehen habe.«
»Das hat man gesehen. Dabei dachte ich, Äußerlichkeiten würden dich nicht interessieren.«
Petra grinste kläglich. »Gestern habe ich gemerkt, dass ich höchstens Durchschnitt bin.«
»Jetzt mach dich nicht schlechter, als du bist. Graziella sieht vielleicht besser aus als du, aber dafür bist du ein Genie am Computer und beim Bau von Maschinen.«
Torsten versuchte, Petra wieder aufzurichten, doch die hing immer noch ihren trüben Gedanken nach. Schließlich wurde es ihm zu bunt. »Was gibt es Neues?«
»Eine Änderung. Der US-Vizepräsident kommt bereits heute an, um zwischen den Türken, Griechen und Zyprioten zu vermitteln. Bei den beiden Letzteren gibt es immer noch große Vorbehalte gegen eine Vollmitgliedschaft der Türkei. Die soll Stark ausräumen.«
»Mit einem dicken Dollarbündel oder der Drohung, beide Länder zu bombardieren, wenn sie nicht zustimmen?«
Torstens sarkastische Bemerkung ging an Petra vorbei, da
sie ihre Finger über die Tastatur gleiten ließ und gespannt auf den Bildschirm starrte. »Unsere Frau Merkel kommt ebenfalls heute an, aber erst nach dem Ami. Ach ja, in Kairo wurden ein paar angebliche Terroristen gefasst, die ebenso angeblich einen Anschlag auf diesen Zirkus hier vorhatten.«
»Was soll das doppelte angeblich?«, fragte Torsten verwirrt.
»Weil es sich bei den Brüdern um regierungskritische Dissidenten handelt und selbst der CIA der Ansicht ist, dass ihnen die
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