Die Tallinn-Verschwörung - Thriller
Fahrt hierher gesehen hatte, hielt er Renzos Angriff erst recht für ein Todeskommando. Doch selbst wenn die Schnellboote schon
auf dem Meer abgefangen wurden, würde ihm dieser Zwischenfall die Möglichkeiten eröffnen, die er so dringend benötigte.
»Wie bekommen wir heraus, wie weit Renzo vorangekommen ist?«, fragte er Mazzetti.
»Das erfahren wir in der Botschaft. Dort müssen wir sowieso hin, um unsere Sachen zu holen. Hoffentlich ist alles glattgegangen. Mir brennt es auf der Seele, dass wir den Sprengstoff als Diplomatengepäck losschicken mussten.«
Hoikens lächelte nur, denn er wusste, dass der Plastiksprengstoff, der mit einer Ladung Käse ähnlicher Konsistenz in die italienische Botschaft nach Tallinn gebracht worden war, selbst mit dem besten Röntgengerät nicht entdeckt werden konnte. Er hatte früher schon solchen Sprengstoff durch Kontrollen am Zoll oder Flughafen geschmuggelt, aber in weitaus kleineren Portionen. Die Menge, die er für sein jetziges Vorhaben benötigte, wäre bei jeder Gepäckkontrolle aufgefallen, und daher war er froh, dass Lieferungen für die Botschaften ungeprüft durchgewinkt wurden. Er musste nicht einmal befürchten, dass der Sprengstoff durch einen dummen Zufall entdeckt wurde, denn der Lagerverwalter zählte zu Fiumettis Anhängern und träumte bereits davon, den jetzigen Botschafter in Tallinn ablösen zu können. Doch um das Zeug abzuholen, benötigten sie Jaagup und dessen verbeulten Lieferwagen, der unten an der Straße stand und aussah, als bräche er jeden Augenblick zusammen.
»Fährt aber gut!«, erklärte Jaagup stolz, als Hoikens ihn nach dem Auto fragte.
Dieser nickte zufrieden. Mit diesem Gefährt konnten er und seine Mitstreiter völlig unbeachtet durch die Stadt fahren und das Gelände ausspähen. Das Schloss Kadriorg, sein eigentliches Ziel, würde er jedoch nur aus gebührlicher Entfernung betrachten. Bereits jetzt wurde es schärfer bewacht
als Fort Knox, und da hätte übertriebene Neugier nur Aufsehen erregt. Außerdem kannte er das alte Zarenschloss von Filmen und Grundrisszeichnungen her wahrscheinlich besser als die meisten Menschen, die sich dort tagtäglich aufhielten.
»Sollen wir jetzt zur Botschaft fahren?« Mazzettis Frage beendete Hoikens’ Gedankengang. Er rieb sich über die Stirn und blickte noch einmal zu dem Wagen hinunter. »Warum nicht? Dann haben wir es hinter uns.«
Jaagup zog grinsend seinen Autoschlüssel aus der Tasche. Der Schlüsselanhänger bestand aus einem schwarzen Hakenkreuz, das er seinen Gästen stolz präsentierte.
»Nicht schlecht! Aber in den nächsten Tagen solltest du das lieber abmachen. Wenn wir angehalten werden, will ich keinen Verdacht erregen.« Hoikens sah die Enttäuschung auf Jaagups Gesicht. Irgendwie wirkte der Este auf ihn wie eine Kopie von Florian Kobner. Ebenso wie Feilings früherer Leibwächter hatte er zwar viele Muskeln, aber nicht besonders viele Windungen im Gehirn.
»Wenn alles vorbei ist, schenke ich dir eine Originalfahne, die von alten Kameraden über sechzig Jahre lang gehütet worden ist!«, versuchte Hoikens den Esten zu ködern.
»Eine echte Fahne, sagst du?«
»Selbstverständlich! Hitler und Göring haben sie selbst berührt!« Hoikens sah, wie Jaagup vor Ehrfurcht erstarrte.
Obwohl der Este sonst viel von Symbolen hielt, hatte er bei seinem Toyota auf provozierende Sprüche und Bilder verzichtet, allerdings nicht aus freien Stücken, sondern weil die Russen in dieser Gegend seinen Wagen auseinandergenommen oder angezündet hätten. Die Straße, in der er wohnte, gehörte zwar zum Revier seiner Gesinnungsgenossen, doch schon einen Steinwurf weiter befand sich ein Vorposten ihrer Gegner, den er und seine Leute regelmäßig attackierten.
Wenn der Deutsche den Sprengstoff brachte, würde er einen Teil davon abzweigen, um den russischen Stachel in seinem Fleisch zu entfernen.
VIERZEHN
Z unächst kurvte Jaagup ziemlich wild durch die Gegend, um die Kernreviere der feindlichen Gruppen zu umgehen, dann bog er auf die Pärnu ein und fuhr stadteinwärts. Zu nahe an der italienischen Botschaft wollte Hoikens ihn nicht halten lassen. Daher wies er ihn an, einen geeigneten Parkplatz zu suchen und dort auf sie zu warten. Es dauerte eine Weile, bis Jaagup einen passenden Platz fand, denn wegen des EU-Treffens waren die Sicherheitsvorkehrungen auch hier verstärkt worden, und ein großer Teil der Straßen und Parkplätze stand nicht mehr für den privaten Verkehr zur Verfügung.
Die
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