Die Tallinn-Verschwörung - Thriller
Torsten die Pistole los und schüttelte sich. Der Anschlag lag bereits Stunden zurück und Hoikens befand sich längst wieder in seinem Versteck. Doch es war davon auszugehen, dass der Kerl bereits ein neues Attentat plante. Was mochte sein nächstes Ziel sein?
Torsten entblößte die Zähne. Das würde er herausfinden und Hoikens für den Mord an Andrea bezahlen lassen. Mehr
denn je war er davon überzeugt, dass sein ehemaliger Kamerad ihn mit dieser Tat hatte herausfordern wollen. Doch schon in seiner Kindheit war es niemandem gut bekommen, ihn zu reizen. Seine Gedanken wanderten zurück in die Zeit, in der er als Achtjähriger von zwei älteren und um einiges stärkeren Schülern immer wieder gequält worden war. Damals hatte er gelernt, dass man sich auch dann, wenn man schon am Boden liegt, noch erfolgreich zur Wehr setzen kann – wenn man mit der Hand nach einer gewissen Stelle zwischen den Beinen eines Gegners greift und dort kräftig zudrückt. Einen der Burschen hatte er mit diesem Trick ausschalten können, den anderen war er angegangen wie ein tollwütiges Wiesel. Er hatte seine eigenen Schmerzen gar nicht wahrgenommen, sondern nur darauf geachtet, dem anderen so viele wie möglich zufügen zu können. Obwohl sein Gegner weitaus größer gewesen war, hatte dieser schließlich die Flucht ergriffen.
Torsten lächelte bei der Erinnerung. Hoikens mochte als Mitglied einer ganzen Gruppe zwar in einer besseren Situation sein als er, doch diesen Kampf wollte er mit allen Mitteln gewinnen.
DREIZEHN
I n Rom gab Graziella Monteleone nach zwei Tagen vergeblicher Suche in dem für die Öffentlichkeit zugänglichen Archiv des Vatikans erst einmal auf. Obwohl in den Unterlagen buchstäblich alles und jeder verzeichnet stand, der je in den Bannkreis der Kirche geraten war, tauchten die Söhne des Hammers nur in dem einen Hinweis auf, demzufolge sich die Gruppe bald wieder aufgelöst hätte und ihre Mitglieder
anderen Orden beigetreten wären. Entweder war dieser Gruppierung nicht der geringste Erfolg beschieden gewesen, so dass selbst die sonst so gründliche päpstliche Bürokratie sie nur am Rande registriert hatte, oder … Diesen Gedanken wollte Graziella jedoch nicht weiterspinnen. Die Spekulationen, die ihr durch den Kopf schossen, wären eines Romans würdig gewesen, nicht aber der Wirklichkeit. Wahrscheinlich war dieser deutsche Weihbischof bei seinen Studien auf die Söhne des Hammers gestoßen und hatte es als schick betrachtet, sich als deren Nachfolger zu bezeichnen.
Graziella berichtigte sich sofort. Der tedesco konnte nicht als Erster auf die Idee gekommen sein, die Söhne des Hammers zum Leben zu erwecken, denn ihr Großonkel gehörte ja offensichtlich auch diesem Orden an, wenn man die Gruppe so nennen konnte, und der freundliche Kardinal Rocchigiani war sogar das letzte Oberhaupt dieser Vereinigung gewesen. Graziella empfand Bedauern darüber, dass dieser Mann, der als exzellenter Bergsteiger gegolten hatte, bei einer eher harmlosen Tour ums Leben gekommen war. Er und ihr Großonkel hatten einander oft besucht und dabei hitzig diskutiert. Solch einen Unsinn wie Weihbischof Winter hatte Rocchigiani jedoch niemals von sich gegeben.
Graziella überlegte, ob sie nach der Akte des Weihbischofs fragen sollte, doch mehr als seinen Werdegang würde sie den Unterlagen wohl kaum entnehmen können. Während sie zum Ausgang des päpstlichen Archivs ging, kam sie an ein paar Leuten vorbei, die angestrengt über Aktenordnern brüteten. Da sie nicht wie Kirchenleute aussahen, handelte es sich entweder um Journalisten, die glaubten, wieder einmal einem Kirchenskandal auf der Spur zu sein, oder um Historiker bei der Erforschung eines meist nur sie selbst interessierenden Themas. Graziella juckte es in den Fingern, ihnen zuzuraunen, sie sollten den Söhnen des Hammers nachspüren.
Stattdessen kehrte sie ihnen den Rücken zu und betrat den Vorraum, in dem sich der junge Ordensbruder, der an diesem Tag Aufsicht hatte, mit einem Mann der Schweizer Garde unterhielt.
»Arrivederci!« Graziella winkte ihm kurz zu und trat kurz darauf aufatmend ins Freie. Pilger aus aller Welt belebten die Piazza San Pietro. Wie viele von ihnen mochten bereits von den Söhnen des Hammers gehört haben oder sich gar zu ihnen zählen?, überlegte Graziella und lachte im selben Moment über sich selbst. Sie hatte doch eben herausgefunden, dass diese Filii Martelli nichts weiter sein konnten als ein Klub alter Herren, der sich mit dem Nimbus
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