Die Tallinn-Verschwörung - Thriller
weit gehen konnte. Feiling und seine Leute waren Meister im Verstecken. Wenn es ihm nicht gelang, sie aus ihrem Bau zu locken, konnte er noch Jahre suchen, ohne eine Spur zu finden.
»Also gut! Wir werden es herumerzählen. Aber jetzt erst einmal Prost. Auch wenn wir nicht unbedingt auf derselben Seite stehen, wissen wir doch, was ein richtiger Kerl ist!« Der Anführer hob sein Glas und stieß mit Torsten an. Dieser musterte ihn und fand, dass der eigentlich ein ganz patenter Kerl zu sein schien, der sich in die falsche Umgebung verirrt hatte.
ZEHN
N och in derselben Nacht erschütterte ein donnernder Schlag den Münchner Stadtteil Sendling. Sein Zentrum war die gerade erst fertiggestellte Moschee. Der Haupttrakt brach in sich zusammen, und mehrere andere Gebäude wurden durch die Wucht der Explosion schwer beschädigt. Nur eines der beiden Minarette überstand den Anschlag und reckte sich zwischen den Trümmern wie ein mahnender Zeigefinger gegen Vandalismus und Zerstörung in den Himmel.
Die von Anwohnern gerufene Feuerwehr holte die Kriminalpolizei, die umgehend die Ermittlungen aufnahm. Doch selbst die erfahrenen Spezialisten verzweifelten bald. Wer auch immer für diesen Anschlag verantwortlich war, hatte nicht die geringste Spur hinterlassen.
Der Anschlag war der deutschen und auch der ausländischen Presse etliche Schlagzeilen und noch mehr Vermutungen wert, in denen die Spannbreite möglicher Täter von kurdischen PKK-Anhängern über rivalisierende Muslimgruppen bis hin zu Nachbarn reichte, die sich im Vorfeld vehement gegen den Bau der Moschee in ihrem Viertel ausgesprochen hatten. Die Männer der Kripo und des Verfassungsschutzes, der sich ebenfalls in die Untersuchungen einschaltete,
waren nicht zu beneiden, denn der Druck, der auf sie ausgeübt wurde, überstieg alles bisher Gewesene. Das politische Deutschland forderte rasch Ergebnisse, doch die Behörden tappten im Dunkeln.
ELF
E twa zwölf Stunden später saß Rudi Feiling im Licht einer einsamen Kerze in einem alten, Feuchtigkeit atmenden Kellergewölbe nahe der Wittelsbacher Brücke einer Person gegenüber, die sich im Schatten hielt. Feiling lächelte über so viel Geheimniskrämerei, denn er kannte den Sekretär des Monsignore Kranz noch aus früheren Zeiten. Täuberich war ein Mann, den er gerne in seiner eigenen Organisation gesehen hätte. Oder auch nicht, korrigierte er sich. Der Kleriker war ausgesprochen klug und skrupellos und würde sich nicht lange mit dem zweiten Platz begnügen. Wie wenig diesem Mann ein Menschenleben galt, hatte er bei der Entsorgung der jungen Frau erlebt, die ihnen bei ihrem letzten Treffen in die Quere gekommen war. Außerdem strahlte Täuberich neuerdings etwas aus, das Feiling, einem bekennenden Atheisten, die Nackenhaare zu Berge stehen ließ.
»Ihr Haufen hat gestern recht nette Arbeit geleistet, aber es war nicht gut, das zweite Minarett stehen zu lassen«, sagte der Sekretär.
Feiling ging mit einer Handbewegung über diesen Tadel hinweg. »Das Minarett wird heute Nacht fallen. Wir hatten uns bei der Sprengstoffmenge verschätzt.«
Aus dem Schatten erklang ein leises Lachen. Täuberich wusste wohl, dass Feiling einen Teil des ihm überlassenen Sprengstoffs hatte zurückhalten wollen, um ihn für eigene Aktionen
verwenden zu können. Eine andere Gruppe wäre dafür als Sicherheitsrisiko ausgelöscht worden. Aber Feilings Leute hatten die Polizei und den Verfassungsschutz in den letzten Jahren so oft an der Nase herumgeführt, dass die Staatsorgane nicht mehr wussten, wo ihnen der Kopf stand. Allein deswegen war der Neonaziführer zu wertvoll, um ihn zu beseitigen.
Dennoch gedachte der Sekretär nicht, Feilings Haltung zu tolerieren. »Ihr seid ein unnötiges Risiko eingegangen! Arbeitet beim nächsten Mal besser, sonst müssen wir uns überlegen, ob wir euch noch brauchen können.«
Feiling fuhr empört auf. »Was heißt hier wir? Wen vertreten Sie noch außer Kranz, so dass Sie neuerdings den Mund so aufreißen?«
»Wir sind demütige Diener Christi, die dem Antichristen Einhalt gebieten wollen!«
Die Stimme des Sekretärs klang in Feilings Ohren alles andere als demütig, und er beugte sich interessiert vor. »Es wäre an der Zeit, dass Sie mir etwas mehr über sich und Ihre Organisation erzählen. Meine Freunde und ich haben wenig Lust, für irgendwelche ungreifbaren Schatten zu kämpfen.«
»Stellen Monsignore Kranz und ich Schatten dar?«, klang es belustigt zurück. »Mein Guter, Sie sind
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