Die Tallinn-Verschwörung - Thriller
hier gemacht hatte. Er erkannte die wie gestochen wirkende Handschrift des Kardinals Rocchigiani, und während er las, wurden seine Augen immer größer. Der ehemalige Anführer der Söhne des Hammers war noch tiefer in Winters Geheimnisse eingedrungen, als er befürchtet hatte. Beim Durchblättern der Mappe erkannte Don Batista aber auch, dass die Unterlagen nicht vollständig sein konnten. Sein Blick durchbohrte Graziella, die bleich und starr auf dem Boden des Wagens lag, und er wünschte sich die Macht, alles, was er benötigte, aus ihrem Gehirn saugen zu können. Damit würde er jedoch warten müssen, bis sie wieder bei Sinnen war und er sie an einem sicheren Ort verhören konnte. Da es sich um eine Frau handelte und damit ein von Natur aus schwächliches Wesen, war er sicher, dass ein paar Ohrfeigen oder ein gebrochenes Schlüsselbein ausreichen würden, um sie zum Sprechen zu bringen. Noch während er überlegte, welche Fragen er ihr stellen musste, fiel ihm ein, dass er nicht nur nach San Isidoro gekommen war, um Graziella zu entführen.
ZWANZIG
A uch in Neuperlach waren einige Autos in Flammen aufgegangen und Straßenlaternen zerschlagen worden. Als Hochwürden Matthias Täuberich sich dem Peschelanger näherte, lag immer noch Rauch in der Luft, und die riesige, schwarzgelbe Wohnanlage war in dunkle Wolken gehüllt. Nur einige erleuchtete Fenster zeigten an, dass sie noch existierte. Täuberich richtete sein Augenmerk auf das oberste Stockwerk der Nummer neun und fand dieses bis auf jenes Fenster dunkel, das zu der Wohnung gehörte, aus der er die junge Frau gestürzt hatte. Wie er in Erfahrung gebracht hatte, benutzte derzeit Torsten Renk das Apartment, und das Licht verriet ihm, dass der Schnüffler zu Hause war.
Täuberich kannte sich gut genug in der Wohnanlage aus, um sich auch im Dunklen orientieren zu können. Er fand die Eingangstür, ohne sich an den Treppenstufen zu stoßen, öffnete und trat ein. Der Aufzug befand sich wie bestellt im Erdgeschoss. Täuberich fuhr jedoch nicht ganz nach oben, sondern ließ den Lift zwei Stockwerke tiefer anhalten. Den restlichen Weg legte er über die Treppe zurück. Im neunten Stock postierte er sich so, dass er die Tür beobachten konnte, ohne selbst gesehen zu werden. Am Boden drang Licht aus der Wohnung und erhellte den Korridor gerade so weit, dass man Konturen wahrnehmen konnte.
Nach einer Weile hörte Täuberich Renk reden und eine Frauenstimme antworten. Kranz’ Vertrauter presste die Lippen zusammen. Mit dieser Komplikation hatte er nicht gerechnet. Er überlegte, ob er warten sollte, bis die Frau gegangen war, doch er konnte nicht ausschließen, dass sie in der Wohnung blieb und Renk sie verließ. Nachdenklich wog er das Sprengstoffpaket, das er von Hoikens erhalten hatte.
Es kam ihm recht schwer vor und war sicher ausreichend, das gesamte Apartment zu verwüsten. Renk würde die Explosion höchstens dann überleben, wenn er flach in der Badewanne lag.
Diese Überlegung gab den Ausschlag. Als das Licht in der Wohnung erlosch, schlich er zur Tür. Ihm war klar, dass er sich kein verräterisches Geräusch erlauben durfte. Mit vor Nervosität feuchten Fingern befestigte er das Sprengstoffpaket mit Klebeband in Fußbodennähe am Türrahmen und die Reißleine des Zünders am Türknopf. Diese Ausrüstung stammte von Hoikens und war auf ihre Art wirksamer als jeder Funkzünder. In dem Augenblick, in dem jemand die Wohnung verlassen wollte, ging die Bombe hoch und tötete jeden, der sich in dem Apartment und auf dem Flur befand. Mit einem zynischen Lächeln dachte Täuberich daran, dass in München derzeit viel in die Luft gesprengt wurde. Da kam es auf diese eine Wohnung auch nicht mehr an.
EINUNDZWANZIG
C laudi und Jürgen weilten noch keine zwei Tage in Torstens Apartment, da herrschte bereits dicke Luft. Das Mädchen ließ keinen Zweifel daran, dass es Torsten als neuen Anführer betrachtete, und überschlug sich darin, ihn zu bedienen. Sie schmierte ihm Butterbrote, schenkte ihm Tee ein und trieb es in Jürgens Augen mit ihrem Diensteifer so arg, dass er sie wütend anfuhr, während Torsten im Badezimmer war.
»Den Hintern brauchst du ihm nicht auch noch abzuputzen! «
Claudi fuhr auf. »Geht dich das was an?«
Jürgen kam nicht dazu, dem etwas entgegenzusetzen, denn in dem Augenblick trat Torsten wieder in den Wohnraum.
»So, jetzt kann der Nächste hinein!«
Bevor Jürgen reagieren konnte, huschte Claudi ins Badezimmer und schloss hinter sich
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