Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Teerose

Die Teerose

Titel: Die Teerose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
Vom Netzwerk:
Schreibtisch.
    »Ja«, gab sie zu, verärgert, daß sie die Kontrolle über sich verloren und Angst die Oberhand gewonnen hatte. Über dieses Thema wollte sie nicht reden, sonst würde es real.
    »Ich wußte, daß es die Familie ist. Das einzige Mal, daß ich Sie je so außer sich erlebt habe, war damals, als Seamie Blinddarmentzündung hatte. Geht’s Nick nicht gut?«
    Fiona schüttelte den Kopf. Ihr Gesicht verzog sich, sie fluchte und legte dann die Hände über die Augen, als wollte sie die Tränen zurückhalten.
    »Fiona, was ist passiert? Was ist los mit ihm?«
    Sie konnte nicht antworten. Sie spürte seinen Arm um sich und hörte, wie er ihr unbeholfen Trost zusprach. Als sie schließlich die Hände senkte, zog er ein weißes Taschentuch heraus und reichte es ihr.
    »Wie schlimm steht’s denn um ihn?«
    Sie holte tief Luft. »Ich mach mir übertriebene Sorgen«, sagte sie. »Er ist vor allem schwach. Und hat wenig Appetit. Er muß fast den ganzen Tag Bettruhe halten, aber gestern ist er durch den Garten gegangen. Das hat er mir gesagt, als ich heimkam.«
    »Wie lange geht das schon so?«
    »Seit Februar.«
    Peter sah sie überrascht an, was Fiona nicht entging, und sie wünschte, sie hätte nichts gesagt. Er sollte gehen. Jetzt gleich. Sie wollte seine Angst nicht sehen, wollte ihn nicht beruhigen müssen. Das schaffte sie bei sich selbst kaum.
    Vor zwei Monaten – genau an dem Tag, als die neue Maschine eingetroffen war – kam sie nach der Arbeit heim und freute sich aufs Abendessen mit Nick. Doch sie erfuhr, daß Nick einen »Anfall« gehabt habe, wie Foster es ausdrückte. Sie rannte nach oben, wo sie ihn bleich, schwach und nach Atem ringend im Bett vorfand. Fast wahnsinnig vor Sorge küßte sie ihn und hielt sein Gesicht zwischen den Händen, bis Dr. Eckhardt, der neben ihm saß, sie wegführte. Er erklärte ihr, daß Nick sein Herz überanstrengt habe und Ruhe brauche.
    »Aber er schafft es doch wieder, nicht wahr, Dr. Eckhardt?« hatte sie mit versagender Stimme gefragt und den Arm des Arztes umklammert.
    »Er liegt doch ganz ruhig da, Mrs. Soames. Sehen Sie ihn an. Ein bißchen Atemschwierigkeiten, eine kleine Schwäche. Das gibt sich wieder.«
    Fiona nickte und ließ sich von der ruhigen Stimme des Arztes beschwichtigen. Sie fragte sich zwar kurz, ob er ihr die Wahrheit verschwieg, verdrängte den Gedanken aber wieder. Obwohl sie auf allen anderen Gebieten eine unbeugsame Realistin war, sperrte sie in Nicks Fall die Wahrheit bewußt aus. Sie wollte, daß es ihm besserging, deshalb würde das auch geschehen. Anzeichen des Gegenteils ängstigten sie, aber sie weigerte sich, sie als Verschlechterung anzusehen, und tat sie als bloße Stolpersteine auf dem Weg zur Besserung ab.
    »Was meint Dr. Eckhardt?« fragte Peter.
    »Daß die Symptome leichter werden«, antwortete sie. Eine innere Stimme erinnerte sie, daß der Arzt dies schon vor zwei Monaten gesagt hatte, und seitdem hatte Nick wenig Fortschritte gemacht. Sie brachte sie zum Schweigen.
    »Dann ist es nur ein Rückfall. Ein vorübergehender Zustand.«
    Fiona nickte. »Das stimmt. Er ist bald wieder auf den Beinen.«
    Peter lächelte. »Das freut mich zu hören.« Er küßte sie auf die Wange. Sie solle ihn anrufen, wenn sie ihn brauche.
    Nachdem er fort war, sah Fiona auf die Uhr. Es war sechs. Sie überlegte, ihre Sachen zusammenzupacken und früh nach Hause zu gehen. Sie könnte nach dem Abendessen daheim noch weiterarbeiten.
    Normalerweise kam sie abends gern nach Hause, wo helles Licht in den Fenstern brannte und Nick im Salon begierig die Ereignisse des vergangenen Tages hören wollte, aber neuerdings wurde sie immer nervöser, je näher der Abend heranrückte. Es gab nur Foster, der sie willkommen hieß. Nick war oben im Bett. Manchmal war er wach, manchmal nicht. Wenn er’s nicht war, blieb sie an seiner Schlafzimmertür stehen, wünschte, sie könnte zu ihm hineingehen, sich an sein Bett setzen und mit ihm reden, sich überzeugen, daß sich sein Zustand im Lauf des Tages nicht verschlechtert hatte. Sie versuchte, optimistisch zu sein. Vielleicht würde er heute abend herunterkommen und sich in den Salon setzen. Sie könnten eine Flasche Rotwein trinken und vor dem Kamin plaudern, wie sie es immer getan hatten.
    Das Herrenhaus auf der Fifth Avenue war von außen abweisend und imposant, aber im Innern warm und freundlich. Sie hatten es gebaut, als Nick erstmals kürzertreten mußte. Er wollte zu Fuß in den Park und in die Met gehen

Weitere Kostenlose Bücher