Die Teerose
wirst ihn nicht behalten, wenn du noch mehr abnimmst!«
Millie faltete die Hände über dem Bauch. »Oh, ich glaube schon«, antwortete sie. »Ach, Ada, laß mich deine Taftstoffe sehen, bevor ich gehe. Vielleicht einen elfenbeinfarbenen. Oder einen cremefarbenen. Weiß steht mir nicht. Überhaupt nicht.«
17
F iona wischte den letzten Rest Soße auf ihrem Teller mit einer Brotrinde auf und spülte alles mit einem Schluck Leichtbier hinunter.
»Das hat dir geschmeckt, was?« fragte Ralph Jackson.
»Es war köstlich. Mrs. Jackson macht eine wundervolle Rindfleischpastete.«
»Wem sagst du das!« rief er aus und klopfte sich auf seinen imposanten Bauch. »Freut mich, daß es dir geschmeckt hat, Mädchen. Dir könnte ein bißchen Fleisch auf den Rippen nicht schaden.«
Fiona lächelte. Für Mr. Jackson konnte jede Frau unter zweihundert Pfund ein bißchen mehr vertragen. Sie wusch ihren Teller ab, nahm ihren Schal und verabschiedete sich. Draußen war es kalt, aber das Essen hatte ihren ganzen Körper aufgewärmt. Es war Samstag, kurz nach sechs, und sie machte sich munteren Schritts auf den Heimweg. Ihre Laune hatte sich gebessert, sie war voller Hoffnung. Wenn Charlie heute abend gewann, und dafür hatte sie inständig gebetet, wäre sie morgen nachmittag auf dem Weg nach Covent Garden, gleich nachdem sie im Pub fertig war. Es gefiel ihr nicht, daß die Busfahrt mit seinen Wunden und blauen Flecken bezahlt werden mußte, aber es gab keinen anderen Weg. Sie würde ihn irgendwie dafür entschädigen. Sobald sie und Joe ihren Laden hätten, würde sie anfangen, für seine Überfahrt nach New York zu sparen.
Sie war nur ein paar Meter den Gehsteig hinuntergegangen, als jemand ihren Namen rief. Sie drehte sich um. Es war Joe. Er stand etwa zehn Meter hinter ihr. Er sah sie an und wandte dann den Blick wieder ab. Bei seinem Anblick quoll ihr Herz vor Liebe und Glück fast über. Joe, ihr Joe! Er war hier, o Gott sei Dank, er war hier! Er haßte sie nicht, er war gekommen, um sie zu sehen. Er liebte sie immer noch. Ja, wirklich. Strahlend lief sie auf ihn zu. Doch als sie näher kam, wurden ihre Schritte langsamer. Ihr Lächeln verblaßte. Etwas stimmte nicht. Er sah dünn und hager aus, war unrasiert.
»Joe?« Er hob den Blick, und der Ausdruck, den sie in seinen Augen sah, machte ihr angst. »Was ist los? Was ist passiert?«
»Komm mit, Fee. Komm mit zum Fluß«, sagte er mit so matter, schleppender Stimme, daß sie sie kaum mehr wiedererkannte. Er wandte sich in Richtung Themse und begann loszugehen.
Sie packte ihn am Arm. »Was ist denn los? Warum bist du hier und nicht bei der Arbeit?«
Er konnte sie weder ansehen noch ihre Frage beantworten. »Komm, laß uns einen kleinen Spaziergang machen«, sagte er, und sie hatte keine Wahl, als ihm zu folgen.
Als sie zu den Old Stairs kamen, setzten sie sich an ihren gewohnten Platz etwa auf der Hälfte der Stufen. Joe nahm ihre Hand und drückte sie so fest, daß es weh tat. Er versuchte zu sprechen, brachte aber nichts heraus. Dann senkte er den Kopf und weinte. Fiona fühlte so mit, daß sie selbst kaum sprechen konnte. Sie hatte ihn nur einmal weinen sehen, und zwar beim Tod seiner Großmutter. Ging es darum? War jemand gestorben?
»Liebster, was ist denn?« fragte sie mit zitternder Stimme und schlang die Arme um ihn. »Was ist passiert? Geht’s um deine Mutter? Ist dein Vater gesund?«
Er sah sie durch Tränen an. »Fiona … ich hab was Schlimmes getan …«
»Was? Was hast du getan? So schlimm kann’s doch nicht sein? Was immer es ist, ich helf dir. Wir kriegen das schon wieder hin.« Sie versuchte zu lächeln. »Du hast doch niemanden umgebracht, oder?«
»Ich hab Millie Peterson geschwängert, und jetzt muß ich sie heiraten.«
Später erinnerte sich Fiona, daß in den Sekunden nach seinen Worten vollkommene Stille herrschte. Sie hörte weder seine Stimme noch den Fluß, noch den Verkehr auf dem Fluß oder die Geräusche aus dem nahe gelegenen Pub. Es war, als hätten seine Worte ihre Ohren versiegelt, ihr nicht erlaubt, weiter zuzuhören. Die Arme um die Knie geschlungen, saß sie aufrecht da und wiegte sich leicht. Ohne etwas zu hören. Ein Teil von ihr wußte, daß Joe gerade etwas gesagt hatte, etwa Schlimmes, aber wenn sie nicht daran dachte, wäre alles gut. Sie wußte, daß er immer noch sprach, aber sie hörte nicht zu, denn wenn sie das täte, würde er ihr erzählen … würde er sagen, daß er … und Millie … daß sie …
Ein
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