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Die Teerose

Die Teerose

Titel: Die Teerose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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leiser Schrei entrang sich ihrer Kehle, ein animalischer Laut tiefen, erdrückenden Schmerzes. Sie fiel nach vorn, als hätte ihr jemand in die Magengrube geschlagen. Jetzt hörte sie, wie er ihren Namen rief, spürte, wie er die Arme um sie schlang und sie an sich zog. Er hatte mit Millie Peterson geschlafen. Was sie beide zusammen getan hatten, weil sie sich liebten, hatte er mit ihr getan. Noch Sekunden zuvor weigerte sich ihr Kopf, es zu begreifen, jetzt quälte er sie mit Bildern – seine Lippen auf den ihren, seine Hände auf ihr. Sie stieß ihn weg, taumelte zum Wasserrand und übergab sich.
    Als ihr Magen sich beruhigt hatte, tauchte sie ihren Rocksaum ins Wasser und wischte sich das Gesicht ab. Sie versuchte, sich aufzurichten und zur Treppe zurückzugehen, aber plötzlich fiel ihr der Rest seiner Wort ein. Millie war schwanger. Er würde sie heiraten. Ihr Ehemann sein. Mit ihr zu Bett gehen und mit ihr aufstehen. Den Rest seines Lebens mit ihr verbringen. Wie Glas, das auf harten Steinboden fällt, zersprang ihr Herz in tausend Stücke. Sie bedeckte das Gesicht mit den Händen und sank zu Boden.
    Joe sprang von den Stufen herunter, hob sie auf und hielt sie fest. »Es tut mir leid, Fiona. Es tut mir so leid. Vergib mir. Bitte, vergib mir …«, stieß er hervor. Sie machte sich von ihm los und schlug mit Händen und Füßen auf ihn ein. Dann taumelte sie zurück. Eine mörderische Wut hatte sie gepackt. »Du Schwein!« schrie sie. »Die ganze Zeit hast du mir gesagt, ich sei eifersüchtig, obwohl ich keinen Grund dazu hätte! Wie’s aussieht, hab ich einen verdammt guten Grund dafür gehabt! Wie lang geht das schon, Joe? Wie oft hast du mit ihr geschlafen?«
    »Einmal. Ich war betrunken.«
    »Bloß einmal? Und du warst betrunken … dann ist ja alles in bester Ordnung, oder? Das entschuldigt ja alles …« Ihre Stimme überschlug sich, und sie mußte schlucken, bevor sie fortfahren konnte. »Und hast du sie geküßt, wie du mich geküßt hast? Auf die Lippen? Die Brust? Zwischen die Beine?«
    »Fiona, hör auf. Bitte. Es war nicht so.«
    Sie trat vor ihn, ihr ganzer Körper zitterte vor Wut. Sie wollte ihm ins Gesicht schlagen, ihn treten, irgendwas tun, damit er nur einen Bruchteil des Schmerzes fühlte, den sie empfand. Statt dessen brach sie in Tränen aus. »Warum hast du das getan? Warum, Joe, warum?« wimmerte sie herzzerreißend.
    »Ich weiß es nicht, Fiona«, rief er. »Ich zermartere mir das Hirn, aber ich weiß es einfach nicht.« Dann brach es aus ihm hervor, und er erzählte ihr alles. Wie er auf der Party war, sie vermißte und Angst hatte, sie könnte ihn hassen. Von der Beförderung, die er sich so inbrünstig gewünscht hatte, und daß er sich wie ein König fühlte, als er sie bekam. Wie er zuviel getrunken hatte, Millie ihn durchs Haus führte, wie ihm schwindelig wurde und sie in ihrem Zimmer landeten. Und wie entsetzlich schlecht ihm wurde, als er begriff, was er getan hatte, wie er sich immer wieder übergeben mußte. »Ich war so betrunken … und hatte das Gefühl, ich hätte alles erreicht, was ich mir je gewünscht hab … all die Aufmerksamkeit, das Geld, wie leicht alles war, aber das stimmte nicht. Alles, was ich will, steht hier vor mir. Ich hab gedacht, ich hätte dich verloren, Fiona. Ewig hab ich an der Bushaltestelle auf dich gewartet, aber du bist nicht gekommen. Ich hab gedacht, es sei aus, du würdest mich hassen. Warum bist du nicht gekommen?«
    »Ich hab’s versucht«, antwortete sie matt. »Ich war schon auf dem Weg, da hat Mr. Jackson vom Pub nach mir geschickt. Ich hab mich dort um eine Arbeit beworben, und er hat gesagt, ich könnt sie haben, müßt aber gleich anfangen. Ich wollte dir schreiben, aber wir haben das Geld gebraucht, das du geschickt hast, um für Eileen Medizin zu kaufen. Es tut mir leid«, sagte sie. Wieder flossen ihr Tränen übers Gesicht. »Wenn ich nur gefahren wär.« Schluchzen schüttelte ihren ganzen Körper. Sie konnte nicht weitersprechen. Als sie schließlich wieder ein Wort herausbekam, fragte sie: »Liebst … du sie?«
    »Nein! Mein Gott, nein!« rief er. »Ich liebe dich, Fiona. Ich hab einen Fehler gemacht, einen dummen, furchtbaren Fehler, und ich würd alles tun, um ihn ungeschehen zu machen. Alles! Ich liebe dich, Fee. Ich möcht bei dir sein, ich möcht, daß alles wieder so ist, wie’s vorher war. Ich steh das einfach nicht durch … ich kann’s nicht … o Gott …« Er wandte sich ab, und seine Worte gingen in Weinen

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