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Die Teerose

Die Teerose

Titel: Die Teerose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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darüber sprechen«, erwiderte er entschieden. »Du bist zu aufgeregt. Du mußt dich beruhigen, sonst schadest du dem Baby.«
    »Du schläfst mit ihr, stimmt’s? Das mußt du ja wohl, weil du mit mir nicht schläfst. Nicht einmal in fünf Monaten! Ständig erzählst du mir, du müßtest soviel arbeiten und kämst deswegen jeden Abend so spät nach Hause, aber das stimmt nicht! Es ist dieses drekkige Flittchen!« Sie warf sich gegen Joe und schlug mit den Fäusten auf ihn ein. »Damit ist jetzt Schluß!« schrie sie. »Du hörst auf, sie zu treffen!«
    Joe packte sie an den Handgelenken. »Das reicht!« rief er.
    Sie wand und drehte sich, versuchte, sich aus seiner Umklammerung zu befreien, und verfluchte ihn. Dann hielt sie plötzlich inne und stand ganz still.
    »Was ist?« fragte er.
    Mit großen erschrockenen Augen sah sie ihn an. Ihre Hände strichen über ihren Bauch. Ein Stöhnen kam aus ihrer Kehle, und sie sank zusammen. Joe legte den Arm um sie. Er versuchte, sie aufzurichten, aber es ging nicht. Sie stieß mehrere Schreie aus und grub ihre Fingernägel in seinen Arm.
    »Scht, ist ja gut«, versuchte er, sie zu beruhigen. »Hol einfach tief Luft, ja, so ist’s gut. Es ist nur ein Krampf. Der Arzt hat gesagt, du könntest Krämpfe kriegen, aber du solltest dir deswegen keine Sorgen machen.«
    Doch es war kein Krampf. Als sie versuchte, einen Schritt vorwärts zu machen und sich aufzurichten, sah er rote Tropfen auf den Teppich fallen.
    »Millie, hör zu«, sagte er und versuchte ruhig zu bleiben. »Ich geh den Doktor holen. Er wird nach dir sehen, und alles wird gut. Wir bringen dich jetzt ins Bett, in Ordnung?«
    Sie nickte und schickte sich an, zur Tür zu gehen. Erneut von einem Schmerzanfall gepackt, sank sie zusammen. Jetzt entdeckte sie die roten Flecken auf den Spitzen ihrer weißen Pantoffeln. »O nein!« rief sie aus. »O Gott … bitte, nein …« Innerhalb von Sekunden hatten sich ihre Ausrufe in schrille Schreie verwandelt.
    Joe hob sie hoch und trug sie aus dem Arbeitszimmer. Auf dem Gang stand eine entsetzte Mrs. Parrish mit einer Kerze in der Hand. »Holen Sie Dr. Lyons«, bellte er sie an. »Schnell!«
     
    Joe saß auf der Holzbank vor Millies Krankenhauszimmer und hielt sich den Kopf. Die ganze Nacht lauschte er ihren Schreien – ihren verzweifelten Schreien –, bis sie endlich aufhörten, als draußen die Morgendämmerung anbrach.
    Dr. Lyons war jetzt bei ihr, außerdem zwei Schwestern und ihr Vater. Sie wollte ihn nicht bei sich haben, was er ihr nicht verdenken konnte. Es war alles seine Schuld. Er hätte gestern früher heimkommen, ihr Blumen mitbringen und mit ihr zu Abend essen sollen. Das sollte ein Ehemann tun. Er hätte nicht mit ihr streiten sollen. Und er hätte nie nach Fiona suchen dürfen.
    Am Morgen nach ihrer Hochzeitsnacht – als er aus der Hotelsuite geflohen und sich sinnlos betrunken hatte – war er mit einem schrecklichen Kater neben einer schluchzenden Ehefrau aufgewacht und hatte gewußt, daß er so nicht leben konnte. Er liebte Millie nicht und brachte es nicht über sich, mit ihr zu schlafen, aber zumindest konnte er sich liebevoll und aufmerksam verhalten. Am Nachmittag waren sie nach Frankreich abgereist, und er hatte die endlosen Flitterwochen ertragen – Millies Gesicht, ihre Stimme, ihr gedankenloses Geschnatter und ihr ständiges Flehen um Zärtlichkeiten. Tagsüber war er höflich und aufmerksam, begleitete sie in Geschäfte, Museen, Cafés und Theater – wo immer sie hinwollte. Aber nachts zog er sich in ein eigenes Zimmer zurück, auf das er in jedem Hotel bestand, um Ruhe und Frieden zu haben und darüber zu trauern, was er getan und damit verloren hatte.
    Anfangs ärgerte sie sich nur über die mangelnde Aufmerksamkeit, mit der Zeit aber wurde sie wütend. Seine Ablehnung verletzte ihre Eitelkeit. Sie wollte ihn und war es nicht gewöhnt, abgewiesen zu werden. Eine Woche nach ihrer Abreise hatten sie die erste von vielen schrecklichen Streitigkeiten, im Hotel Crillon in Paris, im Gang vor ihrem Zimmer. Nach einem Abendessen im Café de la Paix zogen sie sich für die Nacht zurück. Millie wollte, daß er das Zimmer mit ihr teilte. Er weigerte sich. Sie beschuldigte ihn, kalt zu ihr zu sein. Sie tobte und weinte und sagte, daß verheiratete Paare nicht so miteinander umgingen. Er ließ ihre Tiraden stumm über sich ergehen und behielt seine Gefühle für sich, weil er sie nicht verletzen wollte. Sie tobte weiter und erinnerte ihn, daß er in

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