Die Teerose
geschehen wäre, wenn er ihr beim Einkauf geholfen hätte. Murrend schob er die Tee- und Kaffeebehälter, das Semmelmehl, den Hafer und einige andere Waren, die oft gekauft wurden, näher an die Ladentheke und zog die Gläser mit Kakao, Muskat und Zimtstangen aus der Sonne, dann befahl er ihr, die Streichhölzer von der Kühltheke zu nehmen, damit sie keine Feuchtigkeit zogen.
Einen kurzen Moment lang war er der kompetente Ladenbesitzer, aber gerade als sie dachte, er würde bleiben und ihr helfen, ging er wieder fort, weil ihn der Ort traurig stimmte. Auf dem Weg hinaus machte er ihre kleinen Verschönerungsversuche herunter –die Spitzengardinen, die Glasteller für Marys Backwaren, die Blumenkästen und das GEÖFFNET -Schild, das Maddie für sie gemalt hatte. Es sei eine Arbeitergegend, sagte er. Die Leute seien an günstigen Preisen und nicht an Tand interessiert.
Er täuschte sich, davon war Fiona überzeugt. Die arbeitende Klasse liebte Schönheit genausosehr wie die Reichen. Vielleicht noch mehr, weil es davon in ihrem Leben so wenig gab. Aber seine Worte hatten sie verunsichert, und Nick, der gekommen war, um ihr beim Herrichten des Ladens zu helfen, mußte ihr erschüttertes Selbstvertrauen wieder aufrichten. Er erklärte ihr, daß ihre Fehlgriffe nur Anfängerpech waren und ihr noch genügend Zeit blieb, um sie wieder auszubügeln. Talent und Tüchtigkeit zählten am meisten, und davon habe sie genug. Er hatte ihr Gesicht zwischen seine Hände genommen und ihr befohlen, zum Fischhändler zu gehen und ihm zu sagen, daß er sich seinen alten Kabeljau an den Hut stecken könne. Das hatte sie getan und war mit herrlich frischem Fisch heimgekommen. Dann ließ sie von dem Müller das Mehl austauschen und vom Eierhändler neue Eier bringen.
Als sie die letzten Ingwerplätzchen für eine Kundin einpackte – dabei war es noch nicht mal zehn Uhr! –, erkannte Fiona, daß sie es geschafft hatte: Sie hatte den Laden wiedereröffnet. Sie hatte Kunden – Dutzende davon! So viele, daß ihr ständig Waren ausgingen. Sie würde das Lager auffüllen müssen – und zwar schnell. »Von einem leeren Wagen läßt sich nicht verkaufen«, sagte Joe immer. Sie war erleichtert, daß alles so gutgegangen war, aber noch mehr als das: Sie war glücklich. Und stolz. Der Tee, die Backwaren, das hübsche Schaufenster – all das war ihre Idee gewesen, und es hatte funktioniert. Es war ein umwerfendes Gefühl, Erfolg zu haben. Ein ganz neues Gefühl für sie – teils Glück, teils Stolz –, und sie genoß es. Mit einem Anflug schmerzlichen Bedauerns erinnerte sie sich, wie sie mit Joe auf den Old Stairs gesessen hatte und er ihr von seinen Erfolgen bei Peterson’s erzählte und was sie ihm bedeuteten. Sie war zu eifersüchtig gewesen, zu ängstlich, um zuzuhören. Wenn sie doch nur zugehört hätte, wenn sie doch nur versucht hätte, ihn zu verstehen, statt mit ihm zu streiten. Wenn, wenn …
Als sie die Tür für eine Kundin aufhielt, sah sie einen Lieferwagen vor dem Laden halten. Der Fahrer kam an die Tür, fragte nach ihrem Namen und überreichte ihr eine Schachtel.
»Was ist das?« fragte sie.
»Bei ihm weiß man nie«, antwortete er, lief zu seinem Wagen und schnalzte mit den Zügeln.
Fiona sah die Schachtel an. Es war ein glänzend blaues Rechteck, etwa dreißig auf fünfunddreißig Zentimeter mit einem an Scharnieren befestigten Deckel, der mit irisierenden Glasstücken besetzt war. Sie drehte sie um. Auf der Bodenseite waren die Worte »Tiffany Studios« eingraviert. Verwundert machte sie sie auf und war überrascht, eine Zeitung darin zu finden – eine Ausgabe der New York World. Auf der Titelseite stand »Schlagen Sie Seite fünf auf«. Und als sie das tat, entdeckte sie, daß ihre Anzeige, diejenige, die Nate und Maddie für sie gemacht hatte, diejenige, die sie im Chelsea Crier geschaltet hatte, die ganze Seite einnahm. Sie war verblüfft. Wie war das möglich? Sie hatte diese Anzeige nicht aufgegeben. Das konnte sie sich gar nicht leisten. Die World war eine große Zeitung, die in der ganzen Stadt verkauft wurde, kein kleines Lokalblättchen. Vielleicht waren deswegen so viele Leute gekommen.
Aus den Seiten stand eine kleine weiße Karte heraus und fiel zu Boden. Sie hob sie auf. Mit großer, männlicher Schrift war darauf geschrieben:
Meine liebe Miss Finnegan,
Ich hoffe, dieses kleine Geschenk trägt zu
Ihrem Erfolg bei.
Beste Wünsche
William R. McClane
William McClane fragte sich, ob er
Weitere Kostenlose Bücher