Die Teerose
Boxer erinnerte.
»Gott sei Dank sind Sie da«, rief Neville erleichtert aus.
»Warum sind Sie hier? Was ist los?« fragte Fiona.
»Dürfen wir eintreten?«
»Natürlich. Entschuldigen Sie.« Sie führte sie in ihren Salon.
Neville sah sie an. »Haben Sie nicht geschlafen?«
»Nicht richtig, ich …«
Er unterbrach sie. »Nein, sicher nicht. Nicht nach der letzten Nacht. Schrecklich dumm von Ihnen, sich direkt in die Höhle des Löwen zu begeben. Aber auch sehr mutig.«
»Woher wissen Sie …« Aber er ließ sie nicht ausreden.
»Ich habe mir erlaubt, Frühstück zu bestellen«, sagte er. »Sollte jeden Moment kommen. In der Zwischenzeit möchte ich Ihnen Giles Bellamy vorstellen, den Vorsitzenden der Albion-Bank …«
Fiona erstarrte. Sie nickte dem Mann zu. Sicher keine guten Nachrichten, dachte sie.
»… und David Lawton, Lord Elgins Anwalt. David und Giles haben mir von Ihrem Treffen mit dem Herzog gestern abend berichtet. Sie sind hier, um Ihnen die Aktien Ihres verstorbenen Mannes zu übergeben.«
»Unter dem Vorbehalt, den wir besprochen haben, Neville«, warf Lawton rasch ein. »Mrs. Soames muß bereit sein, das Angebot einzuhalten, das sie Randolph Elgin gemacht hat. Die Aktien gegen den Wechsel. Das ist die Bedingung des Herzogs.«
»Ja, aber seit gestern abend ist die Sachlage eine ganz andere, nicht wahr, David?« sagte Neville aufgebracht. »Ich bezweifle, daß die Aktien noch einen Pfifferling wert sind.«
Matt und vollkommen verwirrt konnte Fiona nur hervorstoßen: »Warten Sie einen Moment … wovon reden Sie? Ich hab Elgin gestern abend getroffen, wie Sie ja alle zu wissen scheinen, und er hat sehr deutlich gemacht, daß er nicht die Absicht habe, mir Nicks Aktien zu geben.«
Neville sah sie verständnislos an. »Haben Sie die Morgenzeitungen nicht gesehen?«
»Nein. Ich war lang auf, dann bin ich eingeschlafen …«
»Hier.« Er öffnete seine Aktenmappe, zog ein halbes Dutzend Zeitungen heraus und warf sie auf den Couchtisch. »Lesen Sie das, meine Liebe.« Es klopfte leise. »Ah, das muß das Frühstück sein. Ich kümmere mich darum. Setzen Sie sich, Giles. Sie auch, David.«
Fiona nahm die Times. Sie hatte keine Ahnung, was sie lesen sollte. Die Schlagzeilen über die schlechte britische Wirtschaftslage? Einen Bericht über Unruhen in Indien?
»Unten rechts«, sagte David Lawton und setzte sich.
Ihr Blick strich die Titelseite hinab. Dann sah sie es. BURTON TEA AM RAND DES FINANZIELLEN RUINS. Sie setzte sich und verschlang den Artikel. Neville kam zurück, mit zwei Kellnern und einem Servierwagen im Schlepptau. Mit großem Aufwand wurde Tee eingeschenkt und das Frühstück serviert, aber Fiona nahm nichts davon wahr.
Es wurde erwartet, daß Burton Tea noch heute Bankrott erklärte. Die meisten seiner Hauptkunden hatten ihre Bestellungen storniert. Außerdem war das gesamte Inventar von Unbekannten zerstört worden, die letzte Nacht in sein Lagerhaus eingebrochen waren. Sobald die Börse öffnete, erwartete man, daß der Markt mit wertlosen Aktien überschwemmt würde.
Sie hielt den Atem an und las den nächsten Abschnitt.
Auf die Frage, warum Montague’s, einer der wichtigsten Kunden von Burton Tea, seine Bestellungen storniert habe, erklärte Joe Bristow, der Direktor der bekannten Kette: »Ich habe mit den Untersuchungsbehörden, die mit dem Fall befaßt sind, gesprochen und bin von William Burtons Schuld überzeugt. Ich möchte ganz ausdrücklich betonen, daß Montague’s keine weiteren geschäftlichen Beziehungen zu Burton Tea unterhalten wird. Wir machen unseren Profit auf ehrliche und anständige Weise und unterstützen keinen Zulieferer, der nicht das gleiche tut. Unsere Kunden erwarten das von uns. Ich spreche nicht nur für mich, sondern für unser gesamtes Personal, wenn ich sage, daß ich zutiefst schockiert bin, daß ein Mitglied der Handelsklasse derart verbrecherische Mittel benutzt, um die gerechte Sache der Arbeiter zu unterminieren.
Woher wußte er Bescheid? fragte sie sich benommen. Die Geschichte konnte gestern abend nicht in den Abendausgaben gestanden haben, und sie bezweifelte, daß er den Clarion las. Wie hatte er davon erfahren? Sie las weiter.
Viele Londoner Einzelhändler sowie Hotels und Restaurants, die ihren Kunden deutlich machen möchten, daß sie die gleichen hohen moralischen Maßstäbe vertreten wie Montague’s, haben sich ebenfalls angeschlossen.
Fiona las die Namen: Harrods, Sainsbury’s, Home and Colonial
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