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Die Teerose

Die Teerose

Titel: Die Teerose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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gegenüber.« Er lächelte, als sie bleich wurde. »Nun? Hat es Ihnen die Sprache verschlagen? Keine Sorgen, ich habe andere Möglichkeiten, das herauszufinden. Die Wäscherin, die Sie vor drei Jahren gefeuert haben – Margaret Gallagher –, ist sehr redselig. Und wenn alle Stricke reißen, können wir immer noch von einer unabhängigen medizinischen Autorität ein Gutachten einfordern, von irgendeinem alten Kerl, der nur zu gern diese schlanken Beine spreizen würde, um nachzusehen, was dazwischen ist.«
    »Sie Schwein!« rief sie und hob die Hand, um ihn zu schlagen. Doch trotz seiner Fülle war er erstaunlich flink, denn er packte sie am Handgelenk und riß sie an sich. Sie wand sich, aber er hielt sie fest.
    »Wenn du jemanden reinlegen willst, du dumme Kuh, mußt du ihm Angst einjagen. Ihm das Gefühl geben, daß er was zu verlieren hat. Ich hab nichts zu verlieren. Vielleicht geht der Kurs der Papiere morgen runter, aber nur vorübergehend. Burton Tea wird das überstehen. William wird sein Darlehen weiter zurückzahlen. Ich werde das Geld, das ich für seine Aktien ausgegeben habe, wiederbekommen, und Sie, Miss Finnegan« – er packte sie fester, daß sie dachte, er würde ihr den Arm brechen –, »werden Ihre lächerliche Forderung zurückziehen.«
    Dann ließ er sie los und stolzierte hinaus. Fiona wurden die Knie weich. Sie sackte gegen den Schreibtisch. Es war vorbei. Sie hatte verloren. Auf ganzer Linie.

   77   
    V or dem längst erloschenen Feuer in ihrem Schlafzimmer lag Fiona schlafend in einem Sessel. Plötzlich zuckte sie zusammen und stöhnte kläglich: »Nein … bitte … Hilfe … zu Hilfe …«
    Der schwarze Mann war gekommen, und diesmal hatte er sie erwischt. Er war ihr durch die gewundenen Gassen gefolgt, durch verlassene Gebäude, bis sie in ein Lagerhaus ohne Fluchtweg gerannt war. Jetzt hielt er sie fest, trotz ihrer verzweifelten Versuche, sich zu entwinden. Erneut schrie sie auf, in der Hoffnung, jemand würde sie hören. Aber niemand kam. Sie spürte seinen Atem in ihrem Nacken und sah die Klinge aufblitzen. Und dann hörte sie es: ein lautes, beharrliches Klopfen. Jemand stand draußen. Jemand, der ihr helfen würde. »Mrs. Soames!« rief die Stimme. »Sind Sie da?«
    »Hier!« rief sie. »Schnell!«
    »Mrs. Soames, ich muß mit Ihnen reden …«
    »Helfen Sie mir, bitte!«
    Aber es war zu spät. Sie spürte einen brennenden Schmerz, als der schwarze Mann die Klinge über ihren Hals zog. Sie rang mit dem Tod, bekam keine Luft mehr, als ihr das Blut über die Brust strömte. Wieder vernahm sie das Klopfen. Und das Geräusch von berstendem Glas. Dann war sie wach und blinzelte, vor Angst keuchend, in das dämmrige Licht eines regnerischen Morgens. Sie setzte sich auf, sah sich um und stellte fest, daß sie am Leben und allein war. Auf dem Tisch vor sich sah sie eine halbleere Weinflasche und ein zerknülltes Taschentuch. Sie blickte an sich hinab und sah, daß sie angekleidet war. Sie erinnerte sich, wie sie erschöpft und völlig niedergeschlagen in den Sessel gesunken war, als sie vor Stunden aus dem Club zurückkehrte … sich ein Glas Wein eingeschenkt hatte und dann von einem Weinkrampf geschüttelt worden war. Ich muß mich in den Schlaf geweint haben, dachte sie, und dann diesen furchtbaren Alptraum gehabt haben. Allein die Erinnerung daran ließ sie erschaudern. Der schwarze Mann, das Messer, all das Blut. Vage erinnerte sie sich, daß jemand ihr helfen wollte, an eine Stimme, an lautes Klopfen. Sie schloß die Augen und versuchte, sich zu beruhigen, als erneut ein lautes Klopfen einsetzte, das sie zu Tode erschreckte.
    »Mrs. Soames! Fiona, sind Sie da? Ich bin’s, Neville Pearson. Bitte lassen Sie mich rein!«
    Neville? Was um alles in der Welt will der denn? fragte sie sich. Sie sah auf ihre Uhr. Es war noch nicht einmal sieben. Schnell strich sie sich übers Haar. Sie wußte, daß es völlig zerzaust war. »Einen Moment!« antwortete sie und bemühte sich, die losen Strähnen in den Knoten zu stecken. Glas knirschte unter ihrem Fuß, als sie aufstand. Ihr Weinglas. Sie sah auf ihren Rock. Ein großer nasser Fleck war darauf. »Verdammter Mist!« fluchte sie. »Ich komme, Neville!«
    Sie eilte aus ihrem Schlafzimmer durch die Diele zur Tür. Drei Männer standen im Gang: ihr Anwalt, ein gutgekleideter Herr in den Fünfzigern, schlank und mit besorgtem Blick, und ein Mann mit dichtem dunklem Haar, noch keine Dreißig, der draufgängerisch wirkte und an einen

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