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Die Teerose

Die Teerose

Titel: Die Teerose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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ihrer schmutzigen Hand seine Wange.
    Das Gesicht, das sie einst so genau gekannt hatte, war das gleiche, wenn auch verändert. Es gab ein paar kleine Furchen darin, und die Wangenknochen traten stärker hervor. Aber seine Augen waren noch dieselben – so blau, so schön, wenn auch so traurig jetzt. So viel trauriger, als sie sie in Erinnerung hatte.
    Er berührte ihr Gesicht, dann umschloß er ihre Wange mit seiner Hand, und die Wärme seiner Hand bestätigte ihr, daß er tatsächlich real war. Und dann zog er sie an sich und küßte sie, und sie hörte ein Rauschen in den Ohren und tief in sich ein langes, anhaltendes Knacken, als bräche das Eis in einem See. Der Geruch seiner Haut, das Gefühl seiner Lippen und seines Körpers, der sich eng an sie preßte, überwältigten sie. Es fühlte sich an, als ob zehn endlose Jahre – zehn Jahre der Sehnsucht nach ihm, der Liebe, trotz ihres Kummers und ihres Zorns, zehn Jahre der quälenden Einsamkeit, der Leere ihres Herzens und ihres Körpers – innerhalb weniger Sekunden wie weggewischt wären.
    Mächtige, widersprüchliche Gefühle, die ein Jahrzehnt im Zaum gehalten worden waren, brachen sich Bahn, überfluteten sie wie ein gefährlicher Strom, drohten sie zu ertränken und in Stücke zu reißen. Sie versuchte, sich von ihm zu lösen, aber er packte sie an den Handgelenken.
    »Nein! Ich laß dich nicht los. Nie wieder. Verstanden?« rief er.
    Sie wehrte sich, wollte sich losreißen. Und dann klammerte sie sich an ihn, krallte sich in seine Jacke, sein Hemd, seinen Körper, gleichgültig, ob sie ihm damit weh tat. Das Gesicht an seiner Brust vergraben, sagte sie schluchzend immer wieder seinen Namen.
    Er hielt sie fest, drückte sie an sich. »Geh nicht weg, Fiona, bitte, geh nicht«, flüsterte er.
    Sie suchte seine Lippen, sehnte sich nach seinem Kuß. Sie wußte, daß sie das nicht tun sollte. Es war wahnsinnig. Es war falsch. Er gehörte ihr nicht. Aber sie kam nicht mehr dagegen an. Sie wollte ihn so sehr. Sein Hemd löste sich aus dem Hosenbund. Sie glitt mit der Hand darunter. Als sie sein Herz pochen spürte, traten ihr Tränen in die Augen. Das ist alles, was ich je wollte, dachte sie, sein Herz in meiner Hand. Und meines in seiner.
    Ein alter Wunsch, der tief in ihr vergraben war, flammte auf. Sie wollte seine Haut auf der ihren spüren. Ihn in sich spüren. Sie mußte seine Seele wieder berühren und wissen, daß er die ihre berührte, genau wie einst auf dem schmalen Bett in der Wohnung in Covent Garden. Auch er wollte das. Das konnte sie in seinen Augen sehen.
    Wortlos hob er sie hoch und trug sie unter die Stützpfeiler. Als sie unter dem Dock außer Sichtweite waren, bettete er sie auf eine alte Segelplane auf den Boden. Er legte sich neben sie und schmiegte sich an sie. Genau wie er es immer getan hatte. Sie konnte den schlammigen Fluß riechen und das leise Schlagen der Wellen hören, als er ihre Bluse und ihr Mieder öffnete. Mit einer Mischung aus Zorn und Trauer im Ausdruck berührte er vorsichtig ihre Narbe. Sie versuchte, die Bluse darüberzuziehen, aber er schob ihre Hand fort und küßte die blasse Haut. Er küßte ihre Schultern, ihren Hals und dann ihre Brüste. Er war sanft zu ihr, was sie nicht wollte. Sie wollte den Abdruck seiner Hände, seiner Lippen, seiner Zähne auf ihrer Haut. Zur Erinnerung an diese Nacht. Morgen und für immer.
    Sie zog sein Gesicht zu ihrem, schlang die Arme um seinen Hals und küßte ihn so inbrünstig, als wollte sie ihn verschlingen. Sie spürte, daß er an seiner Hose nestelte, spürte, daß er ihre Röcke hinaufschob und an ihrer Unterwäsche zerrte, und dann spürte sie ihn zwischen ihren Beinen und endlich, endlich in sich. Er füllte sie aus. Machte sie heil.
    »Ich liebe dich, Fiona, o Gott, wie ich dich liebe …«
    Sie schüttelte den Kopf, wollte diese Worte nicht hören. Er liebte sie, und sie liebte ihn, aber alles war hoffnungslos, genau wie immer.
    »Nimm mich, Joe. Bitte nimm mich«, flüsterte sie.
    Aber er tat es nicht. Er blieb vollkommen ruhig liegen und sah sie an. Selbst in der Dunkelheit war die Leidenschaft in seinen Augen heftig und erschreckend. »Sag mir, daß du mich liebst, Fee«, sagte er.
    »Bitte mich nicht darum. Das ist nicht fair.«
    »Sag’s mir. Sag’s, Fiona. Sag es.«
    Sie schloß die Augen. »Ich liebe dich, Joe«, antwortete sie mit versagender Stimme. »Ich hab dich immer geliebt …«
    Und dann bewegte er sich, drang tiefer und tiefer in sie ein, wiegte ihren Kopf

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