Die Templerin
verlassen haben, was in spätestens zwei oder drei Tagen der Fall sein wird. Danach werden sie unbehelligt hierher zurückkehren. Diese Komturei wird in wenigen Wochen aufgelöst, und wir alle werden fortgehen. Aber seid versichert, daß ich dafür Sorge getragen habe, daß man Euch im Auge behält, Gernot. Solltet Ihr es wagen, Hand an Robin zu legen, oder sollte ihr auch nur das geringste zustoßen, so wird Euer Vater erfahren, was sich wirklich zugetragen hat.«
»Das ist… alles?« fragte Gernot mißtrauisch.
»Das ist alles«, bestätigte Abbé. »Bis auf eine Frage: Warum?« Gernot verzog verächtlich die Lippen. »Das würdet Ihr ja doch nicht verstehen, alter Mann.«
»Ist es wegen Eures Bruders?« fragte Abbé. »Gregor?«
Gernot schwieg.
»Ihr haßt uns«, sagte Abbé. »Ihr haßt uns, und Ihr haßt vor allem mich, weil Ihr glaubt, daß es meine Schuld ist. Aber das ist es nicht. Es war Gregors freier Wille, in den Orden einzutreten.«
»Sein freier Wille?« Gernot lachte hysterisch. »Dieser tumbe Narr weiß nicht einmal, was freier Wille ist! Jahrelang hat mein Vater ihm von Euch und Eurem verfluchten Orden vorgeschwärmt. Gebete tagein, tagaus, und dann diese Geschichten vom heiligen Krieg gegen die Heiden. Dem Ruhm, den die erhalten, die in die Schlacht gegen die Ungläubigen ziehen! Die Ehre und die Belohnung der ewigen Glückseligkeit! Jahrelang hat er es ihm eingehämmert, immer und immer wieder! Am Schluß konnte er gar nicht anders, als um Aufnahme in den Orden zu bitten!«
»Er war einer unserer besten, Gernot«, sagte Abbé leise.
»Und was hat es ihm genutzt?« Gernot schrie jetzt beinahe. »Er ist tot! Er ist in Euer dreimal verfluchtes Heiliges Land gezogen und dort verblutet! Er starb, noch bevor er Jerusalem auch nur gesehen hatte, und Ihr habt das Kreuzzeichen gemacht und meinem Vater Euer Bedauern ausgedrückt, und das war alles! Ihr habt meinen Bruder umgebracht und den Großteil unseres Vermögens genommen, und Ihr fragt mich, warum ich Euch hasse?«
»Ist es das?« fragte Abbé ruhig. »Das Geld?«
»Unser Geld«, verbesserte ihn Gernot. »Elmstatt war niemals reich, aber wir waren wohlhabend und konnten der Zukunft ohne Sorge entgegensehen. Und jetzt? Wart Ihr in den letzten Jahren einmal auf Burg Elmstatt? Wir leben kaum besser als die Bauern, deren Lehnsherren wir sind. Im Winter müssen wir manchmal Hunger leiden!«
»Ich habe niemals etwas von Eurem Vater verlangt«, sagte Abbé. »Alles, was er uns gegeben hat, war eine freiwillige Spende an den Orden.«
»Nachdem Ihr ihm den Verstand verwirrt habt mit Eurem ewigen Gerede vom Lohn Gottes und der himmlischen Glückseligkeit!« sagte Gernot haßerfüllt. »Ihr habt uns alles genommen! Unsere Familie, unsere Zukunft, unser Vermögen!«
»Und deswegen habt Ihr versucht, uns in Mißkredit zu bringen«, flüsterte Abbé entsetzt. »Ihr habt beinahe fünfzig Menschenleben ausgelöscht. Ihr habt einen Krieg begonnen, der Elmstatt die Vernichtung hätte bringen können, und Ihr habt Euren eigenen Bruder getötet - nur weil Ihr Rache wollt?«
»Wieviel Blut klebt an Euren Händen, Abbé« fragte Gernot böse. »Wie viele tausend habt Ihr in den Tod geschickt, um eine Ruine und ein altes Holzkreuz zu erobern, das vermutlich noch nicht einmal echt ist?« Abbé wurde blaß. Für einen kurzen Moment begann er am ganzen Leib zu zittern, und für einen Augenblick war Robin fast sicher, daß er Gernot nun auf der Stelle töten würde.
Aber er beherrschte sich und sagte nur nach einer langen Pause und mit einer Stimme, in der nicht das mindeste Gefühl war: »Wie habt Ihr Euch entschieden, Gernot - wollt Ihr leben oder sterben?«
»Ich glaube nicht an das Leben nach dem Tod«, sagte Gernot. »Weil Ihr allen Grund habt, Euch davor zu fürchten«, vermutete Abbé. »Wir sind uns also einig?«
»Ihr habt mein Wort«, sagte Gernot spöttisch. »Mein Ehrenwort.«
»Was immer das Wort wert sein mag«, murmelte Abbé. »Salim! Sorge dafür, daß sich jemand um seine Wunden kümmert. Und bringe ihm saubere Kleider. Er stinkt.«
KAPITEL 37
Gunthar kam ungefähr eine Stunde später, und noch bevor eine weitere Stunde vorüber war, verließen Robin und Salim in seinem Gefolge die Komturei. Es war ein sehr sonderbarer Abschied gewesen; ein Abschied, der im Grunde keiner war, denn Abbé hatte ihr nicht einmal Zeit gegeben, Tobias Lebewohl zu sagen, und es war auch eine sonderbar schweigsame Prozession, die durch das Tor ritt und sich nach
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