Die Teppichvölker: Roman (German Edition)
zuzuhören.«
»Ich glaube, wir haben hier gar keinen Kerker«, entgegnete Glurk.
»Dann sorg dafür, daß er einen baut. Und wirf ihn anschließend hinein.«
»Wir sollten ihn hinrichten.«
»Nein«, widersprach Bane. »Du bist zu oft und zu lange mit Brocando zusammen gewesen.«
Der Zwergenkönig schnaufte. »Du weißt doch, wer oder was er ist! Warum sollten wir darauf verzichten, ihn zu tö…«
Er kam nicht dazu, den Satz zu beenden.
»Es spielt keine Rolle, wer er ist. Es kommt nur darauf an, wer wir sind.«
Alle drehten sich um. Auch Jornarileesch.
Die Worte stammen von mir , merkte Snibril verblüfft. Ich wußte gar nicht, daß ich sie laut ausgesprochen habe. Nun, da wir schon mal dabei sind …
»Nur das ist wichtig«, fuhr er fort. »Deshalb wurde Wehr erbaut. Um nicht mehr zu kämpfen. Um keine Angst mehr vor der Zukunft zu haben.«
» Wir schlossen uns nie dem Reich an!« knurrte Brocando.
»Wenn euch die Umstände zwangen, eine Wahl zu treffen – für welche Seite habt ihr euch dann entschieden?« fragte Snibril. »Außerdem: Ihr wart Teil des Reiches – ohne es zu wissen. Ihr seid immer so stolz auf eure Unabhängigkeit gewesen, daß euch überhaupt nicht klargeworden ist, längst Teil einer größeren Gemeinschaft geworden zu sein. Ohne das Reich führest du vermutlich damit fort, irgendwelche Leute von Felsen zu stürzen.«
»Ich werfe keine Leute von Felsen!«
Jornarileeschs Blick wanderte zwischen Brocando und Snibril hin und her. Der Moul wirkte fasziniert.
»Warum hast du damit aufgehört?« fragte der Munrung.
»Nun, es schien nicht richtig zu …« Brocando verschluckte sich fast an den letzten Worten. »Ach, was weiß ich?«
Jornarileesch konnte es kaum fassen. »Von diesen Leuten bin ich besiegt worden? Von Schwachen, die sich dauernd streiten?«
»Erstaunlich, nicht wahr?« Bane winkte. »Bringt den Kerl fort und schließt ihn irgendwo ein.«
»Ich verlange einen ehrenvollen Tod!«
»Jetzt hör mal …« Banes Stimme klang wie Bronze. »Ich habe Gormaleesch umgebracht, weil Wesen wie er überhaupt nicht existieren sollten. Was dich betrifft, bin ich nicht ganz sicher. Aber wenn du mich noch einmal ärgerst, töte ich dich auf der Stelle. Und nun … Fort mit ihm!«
Jornarileesch öffnete den Mund und schloß ihn wieder. Snibril starrte Bane erstaunt an. Es ist keine leere Drohung , dachte er. Er würde ihn tatsächlich töten. Nicht aus Wut oder Zorn, sondern weil die Umstände es verlangen.
Er begriff plötzlich, daß er lieber gegen Brocando oder Jornarileesch gekämpft hätte. Bane konnte ein überaus unangenehmer Gegner sein.
»Snibril hat recht«, sagte Pismire, als man den stummen Moul wegführte. »Es gibt zuviel vom Alten. Es kommt nun darauf an, ein stabiles Fundament für das Neue zu schaffen. Denn sonst gibt es bald überhaupt nichts mehr. Wir haben nicht gekämpft, um anschließend erneut mit irgendwelchen Auseinandersetzungen zu beginnen. Das Reich …«
»Ich weiß nicht, ob es wieder ein Reich geben wird«, murmelte Bane.
»Wie bitte?« entfuhr es dem Schamanen. »Das Reich ist unverzichtbar!«
»Vielleicht können wir es durch etwas Besseres ersetzen«, sagte Bane. »Ich denke schon seit einer ganzen Weile darüber nach. Viele kleine Länder und Städte, durch ein Bündnis miteinander vereint … Das wäre doch nicht schlecht, oder?«
»Und eine Stimme für Frauen!« rief Lady Vortex irgendwo aus der Menge.
»Möglicherweise sogar das«, räumte Bane ein. »Alle sollten an der Gestaltung der Zukunft beteiligt werden.«
Er sah auf. Weiter hinten standen die Schlauen. Sie hatten bisher geschwiegen. Niemand kannte ihre Namen.
»Alle«, wiederholte Bane. »Sprechen wir darüber …«
Ein Schlauer trat vor, schob die Kapuze nach hinten – und gab sich dadurch als Frau zu erkennen.
»Ich muß mit dir reden«, sagte sie.
Alle anwesenden Schlauen schlugen nun die Kapuzen zurück.
»Ich bin Tarillon, die Minenmeisterin. Wir brechen jetzt auf. Wir … wir glauben, jetzt wieder eine Zukunft zu spüren. Dadurch sind uns erneut Erinnerungen ans Kommende möglich.«
»Äh …«, begann Bane.
»Wir haben einen neuen Faden gewählt.«
»Ich verstehe nicht ganz …«
»Wir sind wieder Schlaue. Richtige Schlaue. Wir erinnern uns nun an den Beginn einer neuen Geschichte, und aus diesem Grund möchten wir zu unserem normalen Leben zurückkehren.« Tarillon lächelte. »Ich erinnere mich an diese Worte.«
»Oh«, kommentierte Bane und wirkte
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