Die Terranauten 017 - Die Piraten des Scharlachmeers
aufrecht. Aber er schien die Orientierung verloren zu haben. Als er kopfüber über Bord fiel, war die Polaris bereits mehr als zehn Meter von der Windsbraut entfernt. Vielleicht hatte Vasik Glück und es gelang einem seiner Leute, ihn aus dem Wasser zu fischen.
David terGorden atmete auf. Die Besatzung des angreifenden Schiffes hatte elf Männer verloren; die Islahami nur zwei. Wie durch ein Wunder war die Mannschaft der Windsbraut unverletzt geblieben.
Einer der tödlich verletzten Angreifer lebte noch lange genug, um David erzählen zu können, was nach seinem plötzlichen Verschwinden auf der Insel Devonary an Bord der Polaris geschehen war. Am Abend des Tages, an dem man ihn, Thorna, Vasik und das Begleitkommando hatte an Land gehen lassen, war der Grüne Flieger zurückgekehrt und hatte Debussy erzählt, wie terGorden ihn und die anderen hereingelegt hatte. Nach einem Wutanfall hatte Debussy zwei Tage vor sich hingebrütet. Schließlich war er mit Zandra, Farrell, Vasik und einem halben Dutzend seiner Leute selbst an Land gegangen. Vasik hatte ihn in die Umgebung von O’Broins Kastell geführt und Kontakt mit dem Herrscher der Insel aufgenommen. Debussy war als Sklavenhändler aufgetreten, der den O’Broins Arbeitskräfte zuführen wolle, da er von dem verlorenen Krieg gegen die Vascinis gehört habe. Des weiteren hatte er Padraig O’Broin gegenüber behauptet, dessen Bruder beherberge unter seinem Dach einen Spitzel der Vascinis. Dieser Spitzel heiße David terGorden und verfolge das Ziel, die Erfindung Justin O’Broins auszukundschaften und wenn möglich zu stehlen. In diesem Moment war Padraig O’Broin, der nicht an die Möglichkeit des Fliegens glaubte, hellhörig geworden: Wenn die Vascinis, die stets auf Nummer sicher gingen, am Ballon seines Bruders interessiert waren, konnte das nur bedeuten, daß an diesem Gerät etwas dran war. Da Debussy ihm außerdem gleich zwei Sklaven – Zandra und Farrell – zum Geschenk gemacht hatte, um seinen guten Willen zu beweisen, waren O’Broins Zweifel sofort zerstreut. Er hatte die Rückkehr seines Bruders abgewartet und sich nach dessen spontaner Flucht (die er auf das unvorsichtige Verhalten von Debussys Männern zurückführte) hereingelegt gefühlt.
Der Rest war einfach: O’Broin hatte Debussy umgebracht, dem Grünen Flieger die Schwingen stutzen lassen und die Männer des Kapitäns dem Sklavenstatus zugeführt. Dennoch war es Vasik irgendwie gelungen, zu der in einer stillen Bucht wartenden Polaris zurückzukehren. Er hatte das Kommando übernommen (was ihm aufgrund seiner ungewöhnlichen körperlichen Stärke nicht schwerfiel). Daß er am Roten Fluß auf den Mann gestoßen war, der seiner Meinung nach an seinem Schicksal schuld war, beruhte auf reinem Zufall. Auf jeden Fall hatte weder er noch Debussy etwas über den. Standort des von Asen-Ger versenkten Raumschiffbeiboots erfahren.
*
Die folgende Nacht verbrachte die Windsbraut am rechten Ufer des Roten Flusses, wo David sie vor Anker gehen ließ. Die Islahami stellten Wachen auf. Die reguläre Mannschaft schlief fest und tief, als David über das in tiefer Dunkelheit daliegende Deck spazierte und die Umgebung in Augenschein nahm.
Das Land war flach hier. Vor ihnen verbreiterte sich der Fluß in einen großen See, in dessen Mittelpunkt die Insel lag, die auf der Karte mit einem Knochenschädel markiert war.
Wer mochte dort leben? Die Andeutungen, die Samuel gemacht hatte, waren ziemlich mager gewesen, aber die Sache mit dem Baum, den die Inselbewohner anbeteten, gab David zu denken. Unter den auf Rorqual gestrandeten Menschen hatten sich zweifellos auch Treiber befunden. War es möglich, daß auch sie in die Primitivität zurückgefallen waren? Viele derjenigen, denen David während seiner Treiberzeit auf den unterschiedlichsten Schiffen begegnet war, hatten dem Urbaum Yggdrasil eine beinahe religiös motivierte Verehrung entgegengebracht. Er erinnerte sich an zahllose Gespräche, die er im vergangenen Jahrzehnt mit solchen Leuten geführt hatte. Die Mehrheit der von den terranischen Kolonisten abfällig als »Sternenzigeuner« titulierten Treiber unterschied sich trotz ihrer überragenden Geistesgaben nicht von den anderen Menschen dieser Zeit. Die Tatsache, daß sie übersinnliche Kräfte besaßen, bedeutete nicht, daß die Treiber auch zu intellektuellen Geistesriesen geworden waren.
Andererseits … Wie viele Schiffe mochten in den letzten zweihundertfünfzig Jahren auf Rorqual
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