Die Terranauten 042 - Der Sammler
ja, auch bis an die Grenzen dieses fürchterlichen Mahlstroms bin ich vorgestoßen! – degenerieren die Sonnen selbst, stürzen in sich zusammen oder verbinden sich miteinander, so daß sogar der Raum und mit ihm die Zeit mutieren. Nicht einmal ein Sammler wie ich, der für extreme Belastungen ausgelegt ist, kann in diesem Medium des Chaos existieren, und ich bezweifle, daß die natürliche Evolution Wesen hervorgebracht hat, die dazu in der Lage sind.
In etwas größerer Entfernung vom Kern jedoch – dort, wo die Raum-Zeit-Verwerfungen noch spürbar, aber nicht mehr todbringend sind – bin ich Intelligenzen begegnet, die den intelligenten Lebensformen, die den sternenärmeren Zonen der Galaxis entstammen, überraschend ähnlich waren, obgleich sich ihre Evolution auf ganz anderen und zum Teil höchst erstaunlichen Bahnen vollzogen haben muß. Wie im Kern selbst ist auch am Zentrumsrand die Schicht nur dünn, die den Normalraum von jenem zweiten Kosmos trennt, durch den ich mich bewege, wenn ich die Schranken der Lichtgeschwindigkeit überwinden will.
Und das ist auf die Evolution der Intelligenzen des Zentrumsrandes nicht ohne Einfluß geblieben.
Dies alles ist in meinen Gedächtnisspeichern aufbewahrt, abrufbereit. Und der Augenblick, da ich meine Informationen abgeben und in die Speichermatrix der PSI-Auren einspeisen werde, steht unmittelbar bevor.
Die PSI-Auren …
Das Verlangen, den Kreis meiner Existenz zu schließen, wird immer stärker. Hastig mache ich mich daran, meine psionischen Fühler auszustrecken. Für einen winzigen Moment überfällt mich lähmendes Entsetzen, als ich das PSI-Netz nicht spüre, das die sieben Auren miteinander verbindet. War ich zu lange fort? Hat es Veränderungen gegeben, die nicht voraussehbar waren? Ist das PSI-Netz während der vielen Planetenumläufe meiner Abwesenheit zerrissen, die Matrix nicht mehr aufnahmebereit? Aber nein, jetzt erhalte ich eine Antwort, aber sie ist schwach, viel schwächer als erwartet. Das Netz existiert also noch, aber es ist beschädigt, verkümmert …
Ich bin erleichtert und zugleich betroffen. Was hat das PSI-Netz so verstümmelt? Mit größter Anspannung stimme ich mich endgültig auf das Netz ein und jage fragende Impulse durch die energetischen Stränge. Die Reaktion ist ein Sog, der mein Bewußtsein mitreißt, ohne daß ich diesen Vorgang irgendwie beeinflussen könnte.
Eine indirekte Antwort …
Das PSI-Netz kann seinen Zustand nicht in Worte fassen, es kann nur zeigen. Und so werde ich von Synapse zu Synapse gewirbelt, von PSI-Aura zu PSI-Aura, quer durch das Sonnensystem, das meine Heimat ist.
Voller Angst warte ich auf die ersten Eindrücke. Doch schon jetzt ahne ich – nein, schon jetzt weiß ich – mit absoluter Sicherheit, daß nichts mehr so ist, wie es bei meinem Aufbruch war.
*
Lyda Mar hatte das Gefühl, schon seit Äonen in diesem zähen, schwach fluoreszierenden Grau zu treiben, das zugleich wie ein Nebel und doch nicht wie ein Nebel war. Obwohl sich in ihrem Gesichtsfeld kein Fixpunkt befand, an dem sie sich hätte orientieren können, schien es ihr, als bliebe sie nicht unbeweglich an einer Stelle stehen. Etwas zog sie vorwärts, immer tiefer hinein in die grauen Schleier.
Lyda hatte Angst.
Verzweifelt versuchte sie festzustellen, ob sie überhaupt noch einen Körper besaß oder ob nur ihr Geist, ihr Bewußtsein, in diesem fremdartigen Medium gefangen, war. Wenn sie körperlich hier war (was immer hier auch bedeuten mochte), darin war sie jedenfalls nicht in der Lage, ihren Körper zu spüren.
Aber auch ohne Körper war sie immerhin fähig, ihre Umgebung wahrzunehmen. Sie sah (oder fühlte?) der grauen Nebel, spürte den Einfluß des unheimlichen Etwas, das sie langsam zu sich holte, und hörte … was?
Längst hatte Lyda es aufgegeben, die Natur des an- und abschwellenden Wisperns ergründen zu wollen, das vor einer unmeßbaren Zeitspanne in ihr aufgeklungen war. Manchmal schien es ihr, als handele es sich dabei um eine Art Stimme, die sie mit sanfter Verlockung rief. Ein Sirenengesang, schön, aber auch mit einem bedrohlichen, unheilverheißenden Unterton. Dann wieder veränderte sich der Klang und wurde zu einem hellen Sirren und Pfeifen.
Libellenflügel, die die Luft durchteilen … Wind, der, durch die Schrunde und Spalten eines uralten Berges heult …
Jetzt verdichtete sich das Grau zu wabernden Konturen, und zugleich verdichtete sich auch die Angst, die in Lydas Bewußtsein
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