Die Terranauten 042 - Der Sammler
Blattrand stark nach oben gewölbt war, wodurch eine Art Reling von etwa eineinhalb Metern Höhe entstand. Außerdem waren die Blätter wesentlich größer als die terranischer Seerosen: Sie durchmaßen mindestens zehn Meter, aber Lyda konnte auch einige Exemplare mit einem fast doppelt so großen Durchmesser entdecken.
»Das sind keine Dinger, sondern Seerosenquallen«, korrigierte Damon Credock sie. »Unter der Wasseroberfläche haben sie tentakelartige Fortsätze, mit deren Hilfe sie sich ziemlich flink vorwärts bewegen können. Bei meiner ersten Expedition zum Südkontinent bin ich auch auf so einer Seerosenqualle gereist. Ganz ungefährlich ist das natürlich nicht. Besonders, wenn man in einen Sturm hineingerät … Aber wenn ihr unbedingt zum Südkontinent wollt, werdet ihr euch schon den Seerosenquallen anvertrauen müssen. Eine andere Möglichkeit gibt es nämlich nicht.«
Lyda Mar starrte immer noch unverwandt auf die riesigen Blätter. Auf der Seerosenqualle, die dem Ufer am nächsten war, saßen Suzanne Oh, Onnegart Vangralen und Ennerk Prime. Sie hatten die Ankunft Lydas und der beiden Mittler offenbar noch nicht bemerkt, weil sie in ein angeregtes Gespräch vertieft waren. Wahrscheinlich, dachte Lyda, debattieren sie gerade darüber, wie groß unsere Überlebenschancen sind.
In diesem Augenblick schaute der stämmige Vangralen auf und entdeckte die Neuankömmlinge. Er winkte ihnen kurz zu und sprach dann einige Worte zu den beiden anderen Terranauten. Die drei Menschen erhoben sich mit ungeschickten Bewegungen, wankten zum Rand des anscheinend sehr instabilen Blattes und schwangen sich mühsam über den aufgewölbten Blattrand ans Ufer. Sie schienen froh zu sein, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.
»Und die Entfernung von Kontinent zu Kontinent beträgt schätzungsweise zweitausendfünfhundert Kilometer«, fuhr Damon Credock unvermittelt fort. »Das macht fünftausend Kilometer, die wir auf den Seerosenquallen zurücklegen müssen.«
Lyda Mar nickte düster. »Ich weiß … Mal ganz ehrlich, Damon – können wir das überhaupt in den sechzehn Tagen schaffen, die uns noch bis zur Rückkehr des Computers ins Norvo-System bleiben?«
Damon Credock zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Übrigens habt ihr nicht einmal sechzehn Tage. Die Korallenstadt auf dem Südkontinent, die unser Ziel ist, liegt zwar nahe an der Küste, aber schließlich müßt ihr auch noch den Beweis finden, daß es für uns Surinen wirklich gefährlich ist, weiter auf Sarym zu leben …«
Mittlerweile arbeiteten sich die drei Terranauten langsam auf allen vieren die Anhöhe hinauf. Lyda konnte hören, wie Ennerk Prime lautstark vor sich hinfluchte. Aschan Herib, der sich nicht in die Diskussion zwischen Lyda und Damon Credock eingemischt hatte, beugte sich trotz seiner Verletzungen vor, um Suzanne Oh auf die Kuppe der Anhöhe zu ziehen.
Plötzlich begriff Lyda, daß weder Damon Credock noch Aschan Herib wirklich an den Erfolg dieser verzweifelten Expedition glaubten. Natürlich hofften auch die beiden Mittler, daß durch die Reise zur Korallenstadt das Geheimnis der verschwundenen Surinen aufgeklärt werden konnte, aber offenbar gaben sie der Mission keine großen Chancen.
Ennerk Prime, der mittlerweile als letzter den steilen Hang überwunden hatte, baute sich fast drohend vor Damon Credock auf. Er hatte die Arme in die Hüften gestemmt, und seine Augen flammten vor Wut.
»Ich habe das verdammte Gefühl, daß ihr uns verarschen wollt«, polterte der Sechzigjährige cholerisch los. »Uns das da« – verächtlich wies er mit dem Daumen nach hinten – » als Transportmittel anzubieten! Spinnt ihr eigentlich? Wenn wir uns diesen Viechern anvertrauen, treiben wir vielleicht in hundert Jahren noch auf …«
»Erstens«, unterbrach Damon Credock ihn gelassen, »sind das keine Viecher, sondern Pflanzen. Und zweitens …« Er legte eine Kunstpause ein. »Wie ihr wißt«, fuhr er dann etwas lauter fort, »sind wir Surinen schon vor langer Zeit zu der Erkenntnis gelangt, daß das ökologische System des Nordkontinents künstlich erschaffen worden sein muß. Das gleiche gilt für die Seerosenquallen. Sir gehören eindeutig zu dem künstlichen Ökosystem – und darum können wir Mittler sie auch durch unsere besondere Begabung, also durch Bio-PSI, beeinflussen und damit nach unserem Willen steuern. Genügt das als Erklärung?«
Ennerk Prime wurde sichtlich kleinlauter. »Aschan hatte uns das nicht …«
»Dann wißt ihr
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