Die Terranauten 051 - Welt im Chaos
Gefährt nicht nur völlig allein, sondern benutzte dazu nicht einmal eine Mistel. Cantos’ geistige Kräfte mußten ungewöhnlich stark sein, wenn er auf die Assistenz einer Treiberloge verzichten konnte. Er schien DAS SCHIFF mit einer Leichtigkeit zu bewegen, als handele es sich um ein Ding, mit dem er in einer Art geistiger Symbiose zusammenlebte.
David terGorden hatte keine Ahnung, wie sich das Innere des Gefährts für den Genessaner darstellte. Was ihn selbst anging, so unterlag er der Illusion, sich in einem kreisrunden Raum aufzuhalten, durch den hellblaue Nebelfetzen wehten. Nirgendwo waren Instrumentenkonsolen zu sehen. Der Boden, die Innenwände – all das schien aus einer Art elastisch-weichem Gummi hergestellt zu sein. Es gab keinen Ausgang, und doch hatte er diesen Raum hier irgendwie betreten. Bevor sie sich dem Einflußbereich des Schwarzen Lochs genähert hatten, hatte er auf einem seine Schritte dämpfenden schwarzen Teppich gestanden, doch nun …
DAS SCHIFF schlingerte.
David terGorden lag schläfrig auf dem weichen Boden, betrachtete die Nebelfetzen und dachte: Es hat sich etwas verändert, kein Zweifel. Dieses Zerren …
Die Gedankenimpulse des Genessaners waren beruhigender Natur, aber David konnte erkennen, daß das fremde Wesen sich alle Mühe gab, ihn von jeglicher Panik abzuschirmen.
Strukturveränderung … Der Zugang scheint sich zu schließen … Hoher Energieaufwand … Stelle Berechnungen an …
Die Informationen, die David terGorden erreichten, trugen nicht dazu bei, seine Unsicherheit zu zerstreuen. Das Zerren hatte kaum aufgehört, als der genessanische Pilot sich wieder meldete.
Wir sind durch … Rorqual liegt vor uns … Berechnungsergebnisse sind denkbar ungünstig. Das Dimensionentor schließt sich wirklich. Unbekannte Kräfte …
David war mit einem Schlag hellwach. Er sprang auf und schrie: »Wann?« Vor seinem inneren Auge spulten sich Bilder ab. Er sah über siebenhundert Menschen – Treiber, Terranauten und andere Freunde –, die auf der Insel Pitcairn Unterschlupf gefunden hatten und nun im Begriff waren, vom realen Universum abgekapselt zu werden.
Wenn die Berechnungen des Genessaners der Wahrheit entsprachen, war die Opposition gegen Max von Valdec zum Tode verurteilt. Und was die Menschheit anbetraf … Er wagte den Gedanken nicht zu Ende zu denken. Man hatte dem irdischen Sternenreich ein Ultimatum gestellt. Wenn es ihm nicht gelang, den auf Rorqual deponierten. Samen Yggdrasils zu bergen …
Vier Wochen Erdzeit, kam der telepathische Gedanke des Genessaners. Höchstens fünf. Ich habe berechtigten Grund zu der Annahme, daß das Flackern eine Warnung beinhaltet. Ihr müßt eure Basis aufgeben.
An der Decke des kreisrunden Raumes flammte etwas auf, das auf David terGorden wie ein organischer Bildschirm wirkte. Er musterte die Oberfläche einer nebelverhangenen Welt mit ausgedehnten roten Gasmeeren. Hier und da erkannte er blaue und grüne Vegetationsspritzer, gelbweiße Wüstengebiete und bräunlichgraue Gebirgsformationen. Rorqual war die einzige Welt, die man bisher in der endlosen Weite der rätselhaften Dimension, die allgemein unter der Bezeichnung Weltraum II bekannt war, entdeckt hatte. Rorqual war der Zufluchtsort der Terranauten; der einzige Planet, auf dem sie vor den Zugriffen der Grauen Garden sicher waren, denn niemand außer ihnen kannte den Zugang.
Ich registriere hektische Aktivitäten, teilte der Genessaner David mit. Er tauchte plötzlich aus dem Nichts vor ihm auf und kniete neben ihm nieder. David konnte deutlich sehen, wie es unter der mit grünem Flaum bedeckten, elastischen Haut des Fremden zuckte und arbeitete. Wir sind offenbar nicht die ersten, die die Veränderung bemerkt haben.
Laut sagte David: »Es wird zu einem Wettlauf gegen die Zeit kommen, Cantos. Welche Chancen haben wir?«
»Das«, sagte der Genessaner gewohnt sybillinisch, »kommt darauf an, wie schnell wir sind.«
*
Die roten Nebelbänke, die aus der Richtung des Scharlachmeers gekommen waren und die tief im Süden des Hauptkontinents liegende Insel Pitcairn in Besitz genommen hatten, wurden von den Einheimischen, denen es in ihren Lebensbereichen zu unsicher geworden war, allgemein als die Boten des Unheils bezeichnet.
Als Thorna auf dem Nordturm stand und mit einem Fernglas nach Norden starrte, wurde ihr plötzlich bewußt, daß sie von Rorqual bald würde Abschied nehmen müssen. Es würde ihr nicht schwerfallen, denn obwohl sie die Hälfte ihres
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