Die Terranauten 066 - Im Licht der Mördersonne
den Kopf und entdeckte die halbdurchsichtigen Umrisse eines Wandcoms. Vorsichtig, um mit heftigen Bewegungen nicht seine spröde, brennende Haut allzusehr zu belasten, paddelte er mit den Beinen und trieb gemächlich durch die zähe Luft.
Zum Glück schienen sich seine Lungen inzwischen an die geleeartige Konsistenz der Atmosphäre gewöhnt zu haben; das Atmen bereitete ihm nur noch gelinde Schwierigkeiten, und auch der quälende Druck auf seinen Brustkorb hatte nachgelassen.
Die Messingmarkierung des Wandcoms hatte dem Auflösungsprozeß erstaunlicherweise standgehalten.
Mühsam entzifferte Phibas die Inschrift.
Demnach befand er sich im Nordflügel Kaisergrads, nur noch vier Stockwerke von der Oberfläche entfernt.
Die Erschöpfung und der Schmerz machten seine Gedanken träge, und erst nach langen Sekunden wurde ihm klar, daß sich ganz in der Nähe der Sicherheitstrakt befinden mußte.
Sholar … Was mochte aus Valdecs Vetter geworden sein? War er ebenfalls tot?
Der fette Mann lächelte schief.
Das würde ihn vieler Sorgen entledigen, aber Katzen und Verrückte besaßen ein zähes Leben, und Maxwell Sholar war einer der beeindruckendsten Vertreter der letzteren Spezies.
Wieder vollführte er Schwimmbewegungen und drehte sich um seine Achse.
Ein Schott geriet in sein Blickfeld.
Ein Schott.
Phibas erstarrte. Die Stahltür …
Sie wirkte fest und unversehrt, wie ein Fremdkörper.
Vielleicht, sagte sich Phibas mit neu erwachter Hoffnung, läßt die Kraft nach, die diese unheimliche Verwandlung bewirkt hat. Vielleicht normalisiert sich alles wieder. Vielleicht …
Er schwamm schneller, arbeitete sich mit schmerzverzerrtem Gesicht und tränenden Augen durch die Sirupluft, bis er keuchend und halb bewußtlos vor Pein das Schott erreicht hatte.
Es fühlte sich herrlich kühl und fest an.
Phibas schluchzte vor Erleichterung.
Idiot, schnitt ein zynischer Gedanke durch seinen Kopf. Wenn man dich so sieht, wird dich keiner mehr ernst nehmen.
Es ist zuviel, sagte sich Phibas. Ich bin kein Kämpfer. Meine Aufgabe ist es, einen Konzern zu führen, Rendite zu erwirtschaften und Marktstrategien zu erarbeiten. Niemand kann von mir verlangen, daß ich in diesem Chaos wie ein Graugardist funktioniere.
Mit bebender Hand tastete er über den Öffnungsmechanismus, und auch die Haut seiner Hand war blasig, und sie brannte wie Feuer.
Dem fetten Mann wurde übel.
Er übergab sich und registrierte nur halb, wie sich das massive Stahlschott rumpelnd öffnete.
Der Gang dahinter war ebenfalls unversehrt. Feste Wände, Decke und Boden undurchsichtig und von dem matten Schein der Notleuchten erhellt.
Die Energieversorgung mußte ausgefallen sein.
Wundert mich das? fragte sich Phibas und schob sich durch das Schott.
Abrupt veränderte sich auch der Zustand der Luft, und er stürzte schwer zu Boden.
Der Schmerz war fast unerträglich.
Phibas schrie, und es schienen Ewigkeiten zu vergehen, bis der entsetzliche Schmerz endlich nachließ. Schritte erklangen. Gepolter.
Dann ein Ruf.
»Keine Gefangenen! Macht sie nieder! Ich will ein Gemetzel sehen!«
Sholar! durchfuhr es den Generalmanag voll kaltem Grausen. Maxwell Sholar! Dieser verfluchte, hirnrissige Bastard!
»Nicht«, krächzte er. »Ich bin Phibas. Nicht schießen …«
Mehrere Gestalten tauchten am Ende des Korridors auf, und mit absonderlicher Klarheit konnte Phibas das Fokusglühen ihrer entsicherten Laserkarabiner erkennen.
»Nicht schießen«, brüllte jemand. »Es ist der Generalmanag.«
Rasch waren die Sicherheitsbeamten heran und halfen ihm vorsichtig auf die Beine.
Die Schmerzwellen, die Phibas peinigten, wurden stärker.
Er sah sich um, stöhnend, benommen, und blickte in Sholars bleiches Antlitz.
»Wo haben Sie gesteckt, Manag?« fragte Sholar mit gerunzelter Stirn. »Wir hielten Sie für tot. Dem Feind in die Hände gefallen …«
Jemand schob Sholar zur Seite, und sanfte Hände streiften Phibas die Kleidung vom Körper, die ebenfalls wieder sichtbar geworden war. Kurz darauf ertönte das heftige Zischen einer Sprayflasche. Herrlich kühl legte sich der Spritzwundverband auf Phibas’ glühende, versengte Haut.
Ein Pappbecher und mehrere Tabletten wurden ihm gereicht. »Trinken Sie das.«
Der Generalmanag schluckte die Tabletten und stürzte die säuerliche Flüssigkeit hinterher.
Bald bedeckte der Spritzverband seinen gesamten Körper. Er trocknete rasch und war an der Oberfläche noch elastisch genug, daß sich Phibas ohne große
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