Die Terranauten 085 - Valdecs Rückkehr
verloren.
Eine Katastrophe, dachte der dürre Mann in dem abgewetzten schwarzen Anzug. Bei allen Sternen, das ist das reinste Gift für mein Herz! Nachdem er sich von seinen Verbrennungen erholt hatte, wäre er am liebsten in Pension gegangen. Aber was wäre dann aus der Konzilsverwaltung geworden, die Tyll für die bedeutendste Errungenschaft der bisherigen Menschheitsentwicklung hielt?
»Wiederholen Sie bitte«, krächzte er dann mit letzter Kraft. »Aber formulieren Sie es so, daß es auch ein schwerkranker Mann wie ich überleben kann.«
Die Technikerin machte eine hilflose Geste.
»Es tut mir leid, Inspekteur«, murmelte sie mit einem Anflug von Verzweiflung. »Der Computercheck wurde erst vor einer halben Stunde abgeschlossen, und als ich von dem Ergebnis erfuhr, habe ich mich sofort mit Ihnen in Verbindung gesetzt.
Aber es besteht kein Zweifel, daß die Nahrungsmittelvorräte in den Zentrallagern von Asien, Nordamerika und Europa um sechzig Prozent niedriger sind als bislang angenommen.
Wenn nicht sofort die Zuteilungen gekürzt werden, kommt es in spätestens einer Woche zu gefährlichen Engpässen.
Inspekteur, Sie müssen etwas unternehmen!«
Unternehmen, echote es in Tyll. Natürlich. Aber was?
»Wieso«, fragte er mit mühsamer Beherrschung, »konnte ein so gravierender Fehler geschehen?«
»Unsere Leute forschen bereits nach den Ursachen«, entgegnete die Technikerin, die irgendwo im Labyrinth des Genfer Computerzentrums saß. »Genaues läßt sich natürlich noch nicht sagen, aber …«
»Aber?« schnappte Tyll.
»Vermutlich liegt es an der elektronischen Bestandsüberwachung. Es wurden falsche Werte eingegeben. Fragen Sie mich nicht, wieso. Normalerweise sind die Kontrollen …«
»Es ist gut«, schnitt der von dem Wiederaufbau-Gremium eingesetzte Inspekteur der Technikerin das Wort ab. »Sobald der Bericht vollständig ist, lassen Sie jedem Mitglied des Gremiums eine Kopie zukommen.
Und … Ich verlange, daß über diese Angelegenheit strengstes Stillschweigen bewahrt wird. Verstanden?«
»Natürlich, Inspekteur«, beeilte sich die Technikerin zu versichern.
Tyll unterbrach die Verbindung.
Erschöpft massierte er seine Schläfen.
Hungerrevolten, dachte er. Aufstände. Das hat uns gerade noch gefehlt!
Dann gab er sich einen Ruck und wählte die Zentrale an. »Sind Chan de Nouille oder Manuel Lucci zu erreichen?« bellte er in das Mikrofon des Videos.
Der Computer brauchte nur Mikrosekunden, um die Anfrage zu überprüfen.
»Derzeit nur über Zentrale Lunaport zu kontaktieren«, ertönte die elektronisch erzeugte Stimme des Rechners. »Priorität A wird verlangt.«
Priorität A? durchfuhr es Tyll.
Das bedeutete, daß die beiden anderen Mitglieder des Wiederaufbau-Gremiums nur im Notfall gestört werden durften.
Aber warum?
Mit welchen Problemen mußten sich die Graue und der Vertreter der Bewegung Freiheit für die Erde auseinandersetzen?
»Storniert«, erklärte Tyll. »Ich benötige eine Verbindung mit Generalmanag Hogberg, Agrospace, Berlin. Sofort.«
Das Bild flimmerte.
Sekunden vergingen, und Tylls Ungeduld wuchs ins Unerträgliche.
Endlich wurde das blasse, schmale Antlitz des Agrospace-Generalmanags sichtbar.
Hogberg zwinkerte nervös, als er Tyll erkannte.
»Inspekteur?« fragte er reserviert. »Was kann ich für Sie tun?«
»Eine ganze Menge«, sagte Tyll grimmig. »Ich benötige unverzüglich eine genaue Aufstellung sämtlicher ungelöschter Nahrungsmittelcontainer auf der Erde und im Orbit. Unverzüglich.«
Hogberg lehnte sich zurück und schob ein Narkostäbchen zwischen die dünnen Lippen.
»Dürfte ich den Grund erfahren?«
Ignazius Tyll zögerte und zupfte geistesabwesend an seinen weißen Nasenhärchen.
Nun, dachte er, früher oder später mußte der Generalmanag des größten irdischen Lebensmittelkonzerns ohnehin informiert werden.
Mit knappen Worten beschrieb er ihm die Situation und schloß: »Die Container müssen so schnell wie nur möglich gelöscht und in die Verteilernetze aufgenommen werden. Sie wissen, Generalmanag, was geschehen wird, wenn wir die knappen Rationen noch weiter kürzen müssen.«
Hogberg erwiderte kühl seinen Blick.
»Bedaure, Inspekteur«, erwiderte er, »aber das ist nicht möglich.«
»Nicht möglich?« preßte Tyll hervor. »Hogberg, wollen Sie, daß ich einen Herzanfall bekomme? Warum, bei allen Sternen …«
»Agrospace sollte von den Gewerkschaften erpreßt werden«, unterbrach Hogberg und zog genießerisch an dem
Weitere Kostenlose Bücher