Die Terranauten TB 05 - Kosmisches Labyrinth
skeptisch. Seine Sprechmembranen kratzten, als er seinem Zweifel Ausdruck verlieh.
»Eine Legende?« wiederholte Mirhna sanft. »Nein, es ist keine Legende, junger Freund. Es ist die Wahrheit. Viele Jahre sind inzwischen vergangen. Damals … damals war alles anders. Selbst damals, als allen Menschen die Gefahr der Entropiebeschleunigung deutlich vor Augen geführt worden war, gab es noch immer Gegner der Biologischen Revolution. Und die Menschheit war isoliert. Es gab keine Umarmungs-Gesellschaft, die auf Wunsch genetische Verschmelzungen mit Extrasolaren und anderen Fremdfreunden durchführt. Es gab praktisch keine Verbindungen zu extraterrestrischen Kulturgruppen. Machtreste des alten Sternenreiches wollten sich nicht trennen vom Überkommenen. Sie stellten die Gegner im Innern dar. Aber es gab noch andere Gefahren. Das Auftauchen des Grünen Phönix war ein erstes Alarmzeichen, denn man stellte fest, daß er ein Lenker gewesen war, kein Mensch. Ein Lenker, der ganz offensichtlich gegen den pflanzlichen Lebensstrang kämpfte. Doch die Terranauten hielten an ihrem Kurs fest und bauten eine Grüne Welt, die auf Einklang basierte. Sie glaubten damals im Jahre 2510, die vom Grünen Phönix ausgehende Gefahr überwunden zu haben. Heute wissen wir, daß das ein Trugschluß war. Und ein großer Fehler obendrein. Sie rechneten nicht damit, daß von dieser Seite aus ein weiterer Angriff erfolgen könnte. Und so konnte der Vielgestalter nach Alt-Sarym gelangen und dort den Keim des Unterganges legen. Ihr wißt es alle: Der Eindringling wurde schließlich entdeckt, und man ging nach seiner Vertreibung sofort an die Beseitigung der von ihm verursachten Schäden im biologischen System der Welt der Knospen des Baumes. Man ahnte nicht, daß diese offensichtlichen Schäden nur zur Ablenkung dienten, daß die wirkliche Gefahr von dem Vielgestalter eingeimpft worden war in das genetische Muster der Veränderungssporen, die auf anderen Welten neue Variökologien schaffen sollten – ein weiterer, eindeutiger Hinweis darauf, daß der Angriff von jemanden erfolgte, der bestens unterrichtet war über die Uralten, die Lange Reihe und ihre Funktionen.«
Sie seufzte. Einige der Kinder sahen sie mit großen Augen an, andere machten den Eindruck, als schliefen sie:
Ihre Gedanken aber, so spürte die Geschichtenerzählerin, lauschten in höchster Konzentration.
»Durch die Aktionen des Vielgestalters auf Alt-Sarym verloren viele Terranauten und Treiber ihr Leben«, fuhr Mirhna fort. »Später, nach vielen Jahren, mußte Alt-Sarym gar aufgegeben werden, aber das ist eine andere Geschichte, die ihr bereits kennt. Wichtig ist folgendes:
Einer der Psychomechaniker, der von dem Vielgestalter angegriffen wurde, erlitt einen mentalen Schock. Er starb nicht, aber er veränderte sich. Seine Egostruktur deformierte, und fortan wohnten in ihm mehrere konträre charakterliche Identifikationen. Sein Name war Gil-Coron Tschiad. Er hatte Visionen. Er sprach mit Anderer Stimme. Und diese Stimme erzählte von David terGorden und einer großen Gefahr, die ihm drohte. Dies ist die Geschichte von Gil-Coron Tschiad und Yronne MilVira, von Narda und Nayala. Und es ist die Geschichte von David terGorden, der bereits seit Jahren unterwegs war, um die anderen acht Spektren zu suchen … Es ist eine Geschichte von Leid und Kummer. Aber sie gibt auch zu Hoffnung Anlaß, denn sie beweist, daß der Mensch nur dann verloren ist, wenn er sich selbst aufgibt. So vernehmt nun meine Worte und betrachtet meine Bilder …«
I
Der menschliche Geist stellt nach wie vor ein Phänomen für uns dar. Unsere Psychomechaniker können seine Bewußtseinssphären als dematerielle Ichidentitäten durchreisen, aber auch für sie sind die Gedanken eines Menschen ein weitverzweigtes Labyrinth. Wir bilden Treiber und Bioingenieure aus. Wir erkennen paranormale Begabungen und können sie fördern. Aber wir können nicht einmal annähernd schätzen, was das menschliche Bewußtsein wirklich zu leisten vermag und welche Folgen Veränderungen im psychischen Haushalt haben können.
PSI-Akademie von Ultima Thule, Grüne Erde
Was ist Wirklichkeit, wenn Träume doch heller glänzen als tausend Sterne?
Psychomechaniker-Zitat
»Es geht ihm schlechter«, sagte Yronne MilVira leise. »Es geht ihm immer schlechter.« Sie hatte den Helm Gil-Coron Tschiads zurückgeklappt. Das Gesicht des Psychomechanikers war schweißnaß und so weiß wie Kalk. Seine Augen starrten in die Ferne; die
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