Die Teufelsbibel
meisten, die das Werk lesen würden, ebenfalls vom Glauben an Gott abfallen und sich ihm zuwenden würden, war ihm Lohn genug. Der Mönch offenbarte dem Teufel sein Wissen, und der Fürst der Hölle machte sich an die Arbeit. Als der Mönch am nächsten Morgen aus einem unruhigen Schlaf erwachte, lag das Buch fertig geschrieben auf dem Pult.«
Andrej schwieg.
»Aber …«, sagte sein Vater.
»Aber was?«
»Der Mönch hatte den Teufel hereingelegt.«
Andrej keuchte überrascht.
»Der Mönch wusste, dass der Teufel alles verdrehen würde, was er ihm offenbarte, und dass es dem Teufel nur darum ging, mit der Verbreitung des Wissens Verderben zu säen. Also setzte sich der Mönch hin und versteckte auf drei Seiten in dem Buch den Schlüssel zu all den verdrehten, verderbten Worten, die der Teufel niedergeschrieben hatte; er lieferte die Aufklärung dazu, wie man dieses Testament des Satans verstehen musste. Dann zeichnete er in die Mitte des Buches ein Bild des Teufels, um alle zu warnen, die sich damit abgaben, legte sich hin und starb. Als nach vielen weiteren Tagen die anderen Mönche die Mauer durchbrachen, waren sie entsetzt. Das Buch lag dort wie versprochen, aber der Leichnam ihres Mitbruders war so verbrannt, wie es die anderen gewesen waren, die er zum Tod in den Flammen verdammt hatte.«
Andrej gab einen erschreckten Laut von sich. Die Augen seines Vaters glitzerten im Schein der wenigen Talglichter, die in der Herberge flackerten und ihren Teil zu dem Geruch von verbranntem Essen beitrugen, der unter der Decke hing. Die meisten anderen Herbergsbesucher hatten sich in den Schlafraum zurückgezogen oder schnarchten, über die Tische hingestreckt, in der Schankstube.
»Wer besonders würdig oder besonders weise war, durfte das Buch studieren«, flüsterte Andrejs Vater. »Was glaubst du, woher all die Fortschritte kamen, all die neuen Ideen, die immer wieder im Dunkel der Zeit aufblitzten? Was glaubst du, woher das erste alchimistische Wissen kam?«
»Aus dem Buch …?«
»Und woher all die schrecklichen Gedanken kamen, die Kriege, die Intoleranz, die Verfolgungen, die Morde, dieschlechten Päpste und die bösen Herrscher? Schließlich wurde es immer schwieriger, Zugang zu dem Buch zu erhalten, und das Wissen darüber ging verloren.«
»Und woher wissen Sie das alles, Herr Vater?«
»Bevor ich deine Mutter kannte und bevor du geboren wurdest, traf ich einen alten Alchimisten.« Andrejs Vater zögerte einen winzigen Augenblick. »Ich traf ihn im Gefängnis in Wien, wenn du es genau wissen willst, wohin mich die Missgunst schlechter Menschen gebracht hatte. Der Alte war noch schlimmer dran als ich – man hatte ihn zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. In der Nacht vor seiner Hinrichtung erzählte er mir diese Geschichte.«
»Und haben Sie sie ihm geglaubt?«
»Natürlich habe ich sie ihm geglaubt. Wissenschaftler belügen sich nicht, und der Unglückliche stand bereits mit einem Fuß im Grab.« Andrejs Vater lächelte verzerrt, aber seine Augen funkelten. »Ich habe ihm schwören müssen, es niemals jemandem zu verraten. Ich werde meinen Schwur halten. Aber sobald das Buch mir gehört, wird all das Wissen, werden all die Geheimnisse der Schöpfung mir gehören, mir, einem Wissenschaftler, und ich werde nicht nur ein kleines Licht in der Dunkelheit entzünden, ich werde einen Flächenbrand entfachen, und es wird eine neue Ära beginnen, in der alles Unwissen und aller Aberglaube verbrennen und die Menschen im Licht der Wissenschaft leben! Mein Werk wird das sein, mein Werk!«
»Wissen Sie denn, wo dieser Codex ist, Herr Vater?«
»Er ist immer noch in dem Kloster versteckt, in dem er geschrieben wurde.«
»Und haben Sie herausgefunden, welches Kloster das ist?«
»Erinnerst du dich an das Dorf oben im Norden, das am Rand der Felsenstadt im Wald?«
»Das, wo wir mitten in der Nacht aus der Herberge geflohen sind, ohne die Rechnung zu bezahlen?«
»Nun, mein Junge, ich wollte den guten Wirtsleuten ersparen, mit mir am nächsten Morgen um das Geld streiten zu müssen.«
»Sie haben aber auch den Schinken und den kleinen Mehlsack aus der Vorratskammer mitgenommen.«
»Darüber zu streiten wollte ich ihnen auch ersparen.«
»Mutter sagt, wir haben die Leute betrogen.«
»Willst du nun wissen, wo das Kloster ist, oder nicht?«
»Ist es in der Nähe dieses Dorfes?«
Andrejs Vater schnaubte und schüttelte den Kopf. »Da war doch dieser Dorfpriester –«
»Der grässlich betrunkene
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