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Die Teufelshaube

Die Teufelshaube

Titel: Die Teufelshaube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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Meer. Doch auch das Flache besaß eine gewisse Schönheit, und allmählich hatte sie den endlosen Himmel über weiten Flächen mit Weiden und Erlen ebenso zu schätzen gelernt wie die reichen Fisch- und Jagdgründe des Sumpflandes. »Berge?«, hatte Gyltha einmal gesagt. »Halt ich nix von. Die sind bloß im Weg.«
    Außerdem war das hier jetzt die Heimat des Kindes in ihren Armen, ein weiterer Grund, sich für die Gegend zu erwärmen.
    Aber heute wagte Adelia es nicht, Augen und Gedanken für ihr Kind auf angenehme Dinge zu richten. Ein anderes Kind musste gerettet werden, und sie würde es nicht wegen ihrer eigenen Unwissenheit sterben lassen. Und auch die Mutter nicht.
    Adelia entschuldigte sich stumm bei dem kleinen Wesen, das sie hielt, und rief sich die Leichen von Schwangeren mit ungeborenem Fötus ins Gedächtnis, die sie seziert hatte.
    Es waren erbarmungswürdige Kadaver gewesen, doch wenn sie auf dem Marmortisch im großen Seziersaal in Salerno lagen, hatte Adelia sich gezwungen, kein Mitleid zu empfinden, so, wie man es sie im Umgang mit allen Toten gelehrt hatte, um ihnen besser dienen zu können. Für Gefühle war beim Sezieren kein Platz, nur für klare, ausgebildete, forschende Vernunft.
    Jetzt tat sie hier das Gleiche, in einer wackeligen kleinen Hütte am Rande der zivilisierten Welt. Sie verdrängte das Leiden der Gebärenden aus dem Kopf und ersetzte es durch ein Bild, das die inneren Organe zeigte, Position, Druck, Verlagerungen. »Hmm.«
    Geistesabwesend nahm Adelia das Kind von ihrer linken, nun leeren Brust und legte es an die andere, während sie die Belastungen auf Gehirn und Nabelschnur erwog, warum und wann es zum Erstickungstod kam, zu Blutverlust, Faulbrand … »Hmm.«
    »Hier, Missis. Da kommt was.« Die Tochter führte die Hände ihrer Mutter an das Zaumzeug, das ans Kopfende des Bettes gebunden worden war.
    Adelia legte ihr Kind zurück in den Korb, deckte es zu und trat ans Bett.
    Da tauchte tatsächlich etwas aus dem Körper der Mutter auf, aber es war kein Kopf, sondern das Gesäß des Kindes.
    Verdammt. Eine Steißgeburt. Sie hatte es befürchtet, aber als man sie geholt hatte, war das Kind schon zu weit abgesenkt gewesen; es war also zu spät, hineinzugreifen und den Fötus zu drehen, selbst wenn sie die Kenntnisse und den Mut dafür besessen hätte.
    »Wollt Ihr’s nich rausziehen?«, fragte die Tochter.
    »Noch nicht.« Sie wusste, es konnte verheerende Folgen haben, wenn in dieser Phase gezogen wurde. Stattdessen sagte sie zu der Mutter: »
Jetzt
müsst Ihr pressen. Ob Ihr wollt oder nicht,
presst.
«
    Mistress Reed nickte, nahm ein Stück von dem Zaumzeug in den Mund, biss fest hinein und begann zu pressen. Adelia bedeutete dem Mädchen, mit anzufassen und den Körper der Mutter so tief herunterzuziehen, dass die Gesäßbacken über den Rand hingen und die Schwerkraft ihren Teil beitragen konnte.
    »Halt die Beine fest. Fass sie an den Knöcheln, hinter mir.
Hinter
mir, richtig so. Gut gemacht, Mistress. Immer weiter pressen.« Sie selbst kniete, eine gute Stellung, um ein Kind zu holen – und zu beten.
    Hilf uns, Herr.
    Trotzdem wartete sie, bis der Nabel mit der Schnur daran erschien. Sie berührte die Schnur leicht – ein kräftiger Pulsschlag. Gut, gut.
    Jetzt.
    Mit raschen, aber behutsamen Bewegungen schob sie die Hand in den Geburtskanal und löste ein Bein, dann das andere, beugte die zarten Knie.
    »Presst. So
presst
doch.«
    O Wunder, da kamen von ganz allein, ohne gezogen zu werden, zwei Arme und der Körper bis zum Nacken herausgeglitten. Adelia hielt den Körper mit einer Hand, legte die andere auf den kleinen Rücken und fühlte das Beben von arbeitenden Lungen. Es atmete.
    Jetzt kam’s drauf an. In wenigen Augenblicken drohte das Kind zu ersticken. Gott, welcher auch immer du bist, steh uns bei.
    Er tat es nicht. Mistress Reed hatte keine Kraft mehr, und der Kopf des Kindes steckte noch immer fest.
    »Gib mir die Tasche, die
Tasche.
« Im Handumdrehen hatte Adelia ihr Seziermesser herausgeholt, das sie stets sauber hielt.
    »Jetzt.« Sie legte die Hand der Tochter auf die Scham von Mistress Reed. »Drück.« Sie stützte den kleinen Torso weiter ab und machte einen Schnitt ins Perineum der Mutter. Etwas gab nach, und weil sie das Messer noch in der Hand hielt, musste sie das Neugeborene in der Ellbogenbeuge auffangen.
    Die Tochter schrie. »Es iss raus, Dadda.«
    Master Reed erschien oben an der Treppe und verströmte Kuhmistgeruch. »Donnerwetter, was

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