Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
in einen Harem versetzt fühlte. An diesem Ort warf der
Kardinal, der Anwärter auf den Thron der Heiligen Mutter Kirche und einer der mächtigsten Männer der Christenheit, alle Sorgen des Tages von sich und genoss die Gegenwart seiner Frauen.
Il Cardinale und seine Frauen. Außer seiner lebhaften Tochter Lucrezia lebte auch seine Cousine, Madonna Adriana de Mila, Witwe von Ludovico Orsini und Erbin ausgedehnter Ländereien in Bassanello, unter seinem Dach. Sie war eine Frau, auf die er zählen konnte. Zu Adrianas größten Tugenden zählte die praktische Vernunft. Sie war sogar so vernünftig, dass sie keine Einwände erhob, als ihr Cousin die bezaubernde Giulia Farnese oder Giulia La Bella, wie sie von aller Welt genannt wurde, zu seiner neuen Geliebten erkor. Da Giulia mit Adrianas Sohn Orsino Orsini verheiratet war, hätte man zumindest einigen Widerstand erwarten dürfen. Aber wie immer siegte la famiglia . Adriana war einverstanden, dass ihr Sohn auf seine Landgüter verbannt wurde und der einundsechzigjährige Kardinal die Reize der gerade achtzehnjährigen Giulia genießen konnte, die ihrerseits nur zu gern in diesen Handel einwilligte.
Madonna Adriana und Giulia hatten sich in den Schatten eines Baums im Innenhof zurückgezogen und nippten an einer erfrischenden limonata , während zwei flaumige Malteserwelpen zu ihren Füßen über das Gras tollten und Mohren ihnen in perlenbestickten Turbanen und Pluderhosen mit Straußenfedern Kühlung zufächelten.
Lucrezia hüpfte voraus und warf sich neben Giulia auf die Bank und verlangte lachend nach einem Glas Limonade. Ich aber blieb stehen und wartete, bis man mich bemerkte. Madonna Adriana sah mich einen Augenblick lang an, bevor
sie ihre beringte Hand hob und auf den Hocker zu ihren Füßen deutete.
»Es gibt keinen Grund für solche Förmlichkeit, cara . Setzt Euch und berichtet uns, was es Neues gibt.«
Ich gehorchte und strich meine Röcke glatt.
» Grazie, Madonna «, murmelte ich.
»Ein schrecklich schwüler Tag«, stöhnte Giulia und reckte ihren langen Hals. »Ich kann kaum die Augen offenhalten.«
Was mich nicht überraschte, da man sich erzählte, dass sie schwanger sei. Angeblich war der Kardinal sehr erfreut. Der Himmel weiß, wie viele Kinder Borgia von seinen verschiedenen Geliebten hatte, aber natürlich hatte er auch Vorlieben. Und ein Kind von La Bella gehörte mit Sicherheit dazu.
Ich betrachtete Giulia mit verhaltener Begeisterung. Sie war wirklich die schönste Frau, die ich kannte. Ihr goldenes Haar und die dunklen Augen, dazu die ebenmäßigen Züge und ihre warmherzige und zugleich bescheidene Art ließen auf sinnliche und geistige Vollendung schließen. Letztere Vermutung war jedoch unangebracht, aber was erstere anging … nun, das konnte wahrscheinlich nur der Kardinal wirklich beurteilen.
Aber ganz ohne Verstand war Giulia nicht.
»Ein kluger Schachzug Seiner Eminenz«, bemerkte sie, als sie mich ansah. »Und mutig. Ich hätte nicht gedacht, dass er Frauen solche Verantwortung zutraut.«
Also wussten sie Bescheid. Das machte die Sache einfacher.
»Seine Eminenz ist wie immer weise und gerecht.«
Die beiden Frauen stimmten mir murmelnd zu, wie
man ein Gebet immer wieder von vorn aufsagte. Lucrezia schwieg, doch ihre Blicke huschten beständig von einem zum anderen.
»Ich denke nicht, dass wir hier etwas zu befürchten haben«, bemerkte Adriana mit Blick auf die Mauern, die den Garten schützend umgaben.
»Natürlich nicht«, sagte ich rasch. »Ich möchte mich nur vergewissern, dass alle Maßnahmen genau beachtet werden.«
» Wofür wir Euch äußerst dankbar sind«, bemerkte Giulia. »Wir leben schließlich in unruhigen Zeiten.«
Madonna Adriana seufzte zustimmend.
»Das ist wahr. Wer kann schon sagen, welch neue Gefahren am nächsten Tag auf uns lauern? Aber jetzt Schluss mit solch düsteren Gedanken! Gerade heute Morgen erhielt ich Nachricht, dass es dem Heiligen Vater besser geht. Das Fieber sei gesunken, wie man hört, und seine Stimmung sei gut.«
Giulia hob das Glas an die Lippen, und bestimmt war ihre säuerliche Miene nur der limonata zu verdanken.
»Wunderbare Neuigkeiten.«
» Wer kennt schon die Ursache einer Krankheit?«, bemerkte ich mit aller Vorsicht. »Vielleicht haben ja die Gebete der Christenheit den Zustand Seiner Heiligkeit gebessert.«
»Glaubt Ihr das wirklich?«, fragte Lucrezia, während sie einem der Welpen einen kleinen roten Ball zuwarf. So schnell ihn seine kurzen Beinchen trugen,
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