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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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... selbst wenn sie Ketzer sind. Es war doch nur Essen!«
    Der klagende Tonfall ihrer Stimme klang vertraut. Caterina hatte zwar noch nie erlebt, dass sie gegen den Vater zu zetern gewagt hätte, aber ihrer Mutter war Lorda mit ähnlichem halb verzweifeltem, halb rügendem Ton oftmals im Ohr gelegen. Meist war es dabei um Caterina selbst gegangen. Dass ein junges Mädchen für gewöhnlich von der Mutter angeleitet werde, die Pflichten eines Haushaltsvorstandes zu lernen. Dass sie, Félipa de Mont-Poix, jedoch leider gar nicht darauf achte, was ihrer Tochter beizubringen wäre. Dass es auf dieser Welt nicht ausreichte, nur im rechten Beten geübt zu sein, sondern dass ein Mädchen im Notfall auch die Dienstboten befehligen müsste.
    Lordas Worte hatten die Mutter nie erreicht; gleichgültig war Félipa stets darüber hinweggegangen.
    Jetzt brach das Klagen der Amme ab. Zu Caterinas Erstaunen verstummte auch das Brüllen der Männer, die das Haus ihres Vaters gestürmt hatten, die schlimmste Anklage auf den Lippen, die man sich denken konnte: Dass er, Pèire de Mont-Poix, den Ketzern Unterschlupf gewährt hätte. Dass er gewiss selbst einer wäre. Dass man solches immer schon geahnt hätte – und er nun dafür zu zahlen hätte, gemäß den Worten der Bibel, wonach man Unkraut zu sammeln, zu binden und zu verbrennen hätte!
    Das ist nicht wahr!, dachte Caterina verzweifelt, wissend, dass niemand sich so redlich und zugleich mit eiserner Verbissenheit bemühte, ein guter Sohn der katholischen Kirche zu sein, wie ihr Vater.
    Freilich wagte sie es nicht, sich bemerkbar zu machen, sondern versteckte sich vielmehr hinter der Türe, die ihr Zimmer vom Gang trennte. Es nutzte ohnehin nichts, den Wütenden etwas entgegenzuhalten. Als ihr Vater darauf verwies, dass Lorda allein hinter dem Rücken der gesamten Familie jenen Aposteln des Satans beigestanden hätte, hörte niemand auf ihn.
    »Was ihr mir vorwerft, ist falsch!«, rief er vergebens. »Und selbst wenn es der Wahrheit entspräche, so stünde mir in jedem Fall ein Prozess vor dem Inquisitionsgericht zu! Ihr aber dürft ganz gewiss nicht mitten in der Nacht ...«
    Seine klagenden Worte rissen ab.
    Es folgte der Laut, der kaum weniger beängstigend in Caterinas Ohren nachklang als die ungewohnt erregte Stimme des Vaters: das näselnde, zischende Geräusch einer Flamme, die auflodert, um sich durch alles zu fressen, was man ihrem gelbroten Schlund entgegenstreckt.
    Caterina zögerte lange, ihr Zimmer zu verlassen. Der Vater hatte es nur zu ausgewählten Stunden gestattet, wenn sie das Mahl einnahmen oder wenn er sie unterrichtete. Auch dann war sie meistens im oberen Stockwerk des nicht sonderlich großen Domus verblieben, wo auch die Eltern schliefen und wo, dies war das dritte Zimmer, gegessen wurde. Jene Räume hatten kleine Luken, die sie erhellten – im Gegensatz zum finsteren Erdgeschoss, wo es nur eine kleine Tür gab und wo die Dienstboten schliefen, Caterinas einstige Amme Lorda, die Mägde und die Pedicessa, die persönliche Dienerin ihrer Mutter.
    Caterina hatte Lorda einmal gefragt, ob sie nicht Angst vor der Dunkelheit hätte, doch jene hatte den Kopf geschüttelt und ausgerufen: »Lieber schlafe ich auf dem nackten Holzboden ... als in der Nähe der wachsamen Augen deines Vaters.«
    Sie hatte kurz gezögert und dann doch der Redelust nachgegeben: »Er kann oft nicht schlafen, weißt du, und dann erhebt er sich von seinem Nachtlager und geht von Zimmer zu Zimmer, um die Schlafenden zu betrachten und um zu überprüfen, ob sie denn tatsächlich schlafen ... und nicht etwa Verbotenes treiben. Nur wer schläft, kann nicht sündigen.«
    Caterina hatte nicht recht verstanden, was Lorda meinte. In den darauffolgenden Nächten war es ihr dennoch schwergefallen, Schlaf zu finden; sie hatte gelauscht, ob irgendwo Schritte ertönten, ein Knarzen der hölzernen Dielen, und wiewohl sie wusste, dass es der Vater immer nur gut mit ihr meinte, es nichts geben durfte, was sie vor ihm zu verbergen suchte, ja, es tatsächlich auch nichts gab – so war ihr der Gedanke doch unangenehm, dass er sie heimlich beobachten konnte.
    Oh, wie sehr wünschte sie sich jetzt, er möge zu ihr kommen, sie mit ernstem Lächeln betrachten, so wie er es oft tat (manchmal war ein wenig Wohlwollen daraus zu lesen, viel häufiger aber Unsicherheit, als wäre noch nicht letztgültig geklärt, ob sie das Kind war, auf das man stolz sein konnte), ja, wenn er nur bei ihr wäre, ihr sagen könnte,

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