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Die Todesspirale

Die Todesspirale

Titel: Die Todesspirale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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wollte mich gerade melden und meinen Einwand vorbringen, als mir plötzlich ganz andere Fragen durch den Kopf schossen. Die Lücke in Nooras Tagebuch erschien mir immer wichtiger, ich musste so bald wie möglich mit Silja darüber sprechen.
    Bei den Stilltipps zwang ich mich zur Aufmerksamkeit, denn ich wusste, ich würde sie brauchen, immerhin hatten Schnüppchen und ich keine Übung. Doch es fiel mir schwer, mich zu konzentrieren, weil ein Teil meines Ichs darauf brannte, aufs Präsidium zu fahren und meine Notizen durchzusehen, um anschließend im Eisstadion mit Silja zu sprechen. Schließlich begann Schnäppchen zu treten, als wolle es auf sich aufmerksam machen, und das brachte mich zur Vernunft. Für den Rest der Stunde befasste ich mich mit den Geheimnissen der Säuglingspflege.
    «Ich setze dich zu Hause ab und fahre nochmal aufs Präsidium und zum Eisstadion, okay?», sagte ich nach dem Kurs.
    «Du willst noch arbeiten?», fragte Antti verblüfft und wohl auch ein wenig verärgert. Er bot mir an, mich ins Eisstadion zu begleiten.
    «Würde ich nicht empfehlen. Sie proben heute für Noora Nieminens Gedenkfeier.»
    Mehr brauchte ich nicht zu sagen. Als vor vier Jahren Anttis bester Freund Jukka ermordet worden war, hatte der Chor, dem beide angehört hatten, auf der Beerdigung gesungen.
    Dieser Auftritt und die vorangehenden Proben hatten Antti sehr mitgenommen. Immer noch plagten ihn Albträume von Jukkas aufgedunsener Leiche und von der Mörderin, mit der er ebenfalls befreundet gewesen war. Er schlug sich bis heute mit dem Gedanken herum, er hätte durch rechtzeitiges Eingreifen Jukkas Tod verhindern können. Ob das stimmte, wusste ich nicht zu sagen, ich selbst hatte bei der Aufklärung des Falles nicht gerade geglänzt.
    Als ich Antti an der VähänHenttaantie absetzte, hätte ich mich fast eines anderen besonnen, denn ich war entsetzlich müde. Doch ich zwang mich, zum Präsidium zu fahren.
    Auf dem Gang zu unserer Abteilung war es still, vielleicht waren die Diensthabenden gerade im Einsatz. Ein seltsamer Schmerz durchzuckte mich, als ich an den Mutterschaftsurlaub dachte. Sicher, ich brauchte eine Ruhepause und freute mich auf die Geburt meines Kindes, aber dennoch … Wie lange würde ich es zu Hause mit dem Baby aushalten? Meine Schwestern behaupteten allerdings, mit kleinen Kindern würde einem die Zeit nicht lang. Würde es mir auch so ergehen, dass ich an nichts anderes mehr denken konnte als an Strampelhosen und die neuesten Intrigen in «Reich und schön»? Irgendwie konnte ich mir das nicht vorstellen.
    Ich klinkte die Tür zu meinem Dienstzimmer auf. Ein eigenes Büro war ein herrlicher Luxus, hier hatte ich vor den mit-unter geistlosen Storys der Kollegen Zuflucht gesucht und inoffizielle Gespräche mit Zeugen geführt. Nach meiner Rückkehr in den Dienst würde es sicher nicht mehr so fried-lich zugehen. Ob ich es unter Ströms Leitung überhaupt noch im Dezernat aushalten würde? Und wenn ich selbst Dezernatsleiterin werden sollte, würde mein Dienstalltag auch hektischer sein als bisher. Dennoch lechzte ich danach, Hauptkommissarin zu werden.
    Ich schnappte mir meine Aufzeichnungen und zwei von Nooras Tagebüchern. Dann legte ich den mittlerweile vertrauten Weg zum Eisstadion zurück und ging durch das Café auf die Zuschauertribüne. Im unteren Teil des Blocks E setzte ich mich hin, ich war einfach zu müde, um über die Absperrungen zwischen den Blöcken zu steigen.
    Wieder lag die Halle fast ganz im Dunkeln, nur über den Notausgängen leuchteten grüne Lämpchen. Dann hörte man das leise Rauschen von Kufen, und die erste flackernde Kerze erschien. Ihr folgten etwa zwanzig andere, während die Musik einsetzte: eine Instrumentalfassung von Nilssons
    «Without You». Offenbar hatte die Synchronmannschaft des ELV Espoo ihre Wettbewerbskür passend zur Gedenkfeier abgewandelt.
    Eigentlich war das Ganze ziemlich geschmacklos – die Kerzen, der totgerittene Song in einer kitschigen Geigenver-sion, die Mädchen, die mit starren Gesichtern auf dem Eis kreisten. Zum Glück brach die Musik immer wieder ab, und die Stimme des Trainers holte mich in die Realität zurück. Allerdings zweifelte ich an der therapeutischen Wirkung, die Ulrika Weissenberg sich von der Aufführung erhoffte.
    Als die Kerzenprozession endlich abtrat und das Licht eingeschaltet wurde, sah ich an der Tür zu den Umkleideräumen tatsächlich alle, die ich im Stadion vermutet hatte. Silja, in Trainingsanzug und

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