Die Todesspirale
fiel zwar nicht in die Zuständigkeit unseres Dezernats, doch ich hatte von dem Mann gehört, der Nooras Familie, vor allem ihre Mutter, in den letzten Jahren bedroht hatte und schließlich wegen Hausfriedensbruch zu einer Geldstrafe verurteilt worden war.
«Ja, das ist Vesku Teräsvuori, der Karaokekönig», sagte Taskinen und zuckte resigniert mit den Schultern. Die Polizei konnte Teräsvuori nicht verbieten, eine öffentliche Veran-staltung zu besuchen und Blumen aufs Eis zu werfen. Nach außen hin war das eine übliche nette Geste. Doch als die kleinsten Eiskunstläufer sich schließlich verabschiedeten, hinterließen sie abgerissene Blütenblätter, die mich an Bluttropfen erinnerten.
«Wir holen Silja an der Umkleidekabine ab und fahren dich dann nach Hause», sagte Terttu Taskinen.
Als Jyrki vor einigen Wochen mit Eintrittskarten für die Eisshow in der Dienststelle erschienen war, hatte ich sofort zwei gekauft, aber Antti, mein Mann, hatte dann doch nicht mitkommen können. Dass ich mit den Taskinens auf einem der besten Plätze sitzen würde, weitab von den anderen Kollegen, hatte ich nicht geahnt.
«Ich kann doch den Bus nehmen», wandte ich ein, doch davon wollte Terttu nichts hören. Eigentlich war es ja auch ganz nett, einen Blick in die Umkleideräume zu werfen. Vielleicht bekam ich sogar ein Autogramm von Janne Kivi. Aber als Erstes brauchte ich eine Toilette. Ich verabredete mich mit den Taskinens an der Tür zum Umkleideraum und machte mich auf den Weg durch die kahlen Gänge des Eisstadions.
Auf drei Männerklos kam eins für Frauen, vor dem sich eine lange Schlange gebildet hatte. Da ich Polizistin und au
ßerdem im siebten Monat schwanger war, nahm ich mir das Recht, die freie Toilette mit der abweisenden Aufschrift Nur für Mitarbeiter zu benutzen.
Ich kämpfte noch mit dem komplizierten Verschluss der Umstandshose, als die Tür zum Vorraum aufgerissen wurde.
«Was bildest du dir eigentlich ein?», fauchte jemand, ob Mann oder Frau, war an der Stimme nicht zu erkennen. Die Antwort ging im Lärm eines Handgemenges unter, der Müll-eimer kippte laut scheppernd um. Mir blieb nichts anderes übrig, als einzugreifen, ich musste nur erst die verflixte Hose zukriegen.
«Ich will dich nie mehr sehen, ist das klar?»
Die Tür ging auf, der Unbekannte mit der fauchenden Stimme schien die andere Person auf den Gang zu stoßen.
Als ich endlich angezogen war, war der Waschraum leer. Nur der auf dem Boden verstreute Abfall und der schief hängende Spiegel bewiesen, dass ich nicht geträumt hatte.
Ich entschloss mich, den Vorfall einfach zu vergessen, und machte mich auf den Weg zu den Umkleideräumen. Dutzende kleiner Eiskunstläufer suchten nach ihren Eltern und legten ihre Maskerade ab: Fuchsbärte, Zwergennasen und Hasenzähne. Ein etwa zwölfjähriges Mädchen, das einen ver-schnupften Zwerg gespielt hatte, wischte sich die rote Schminke von der Nase, die Adjutanten des Prinzen lieferten sich einen Schwertkampf. Eine stark geschminkte Frau im knöchellangen Pelzmantel versuchte vergeblich, sich Gehör zu verschaffen.
«Jetzt aber Ruhe!», rief plötzlich eine tiefe Frauenstimme, die so viel Autorität ausstrahlte, dass sie kaum laut zu werden brauchte. Das war die Trainerin, Elena Grigorieva. Im Nu beruhigte sich die lärmende Schar, und die Trainerin dankte ihren Schützlingen für die gelungene Aufführung und die zurückliegende Saison. Ich hörte aufmerksam hin.
War das die Stimme, die gerade auf der Toilette so drohend gefaucht hatte? In dem Moment zupfte Jyrki mich am Ärmel.
«Es dauert noch eine Weile. Rami und Elena haben zum Saisonschluss Saft und Kekse mitgebracht.»
«Champagner wäre mir lieber», seufzte jemand hinter mir.
Ich drehte mich um und sah in die gelangweilten Augen von Janne Kivi.
«Du hast in Edmonton genug Champagner getrunken», lachte Silja Taskinen neben ihm.
«Das ist doch schon zwei Monate her!», gab Janne zurück.
Die jungen finnischen Eiskunstläufer hatten bei der Weltmeisterschaft in Edmonton recht gut abgeschnitten. Anstelle der erkrankten finnischen Meisterin Mila Kajas hatte der Verband Silja Taskinen aufgestellt, die zur allgemeinen Überraschung einen hervorragenden zwölften Platz belegte. Bei den Männern und im Eistanz war der Erfolg zwar ausgeblie-ben, doch dafür hatten Noora Nieminen und Janne Kivi mit ihrem neunten Rang im Paarlauf für einen echten Knüller gesorgt, denn Finnland hatte seit Jahrzehnten keine international erfolgreichen
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