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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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da die meisten der Männer ob der Tatenlosigkeit der Allianz frustriert waren. Obgleich ihr General, Christoforo Moro, sich als ein fähiger Verhandlungsführer erwiesen hatte, war es ihm nicht gelungen, ein Wunder zu bewirken.
     
    Trotz der bleiernen Müdigkeit und des sehnlichen Wunsches, sich einige Stunden auszuruhen, war Francesco tief beeindruckt von der riesigen Werft im Herzen der Lagunenmetropole und der Arbeit, die seine fähigen Mitbürger dort verrichteten. Das Arsenal war eine Stadt innerhalb der Stadt. Über 16 000 Schiffsbauer und 36 000 Seeleute waren dort beschäftigt, und er hatte gehört, dass die gewaltige Werft alle einhundert Tage eine neue Galeere fertigstellte. Zudem konnten die meisten venezianischen Handelsschiffe in Kriegsschiffe umgewandelt werden, da auf Befehl der Stadtregierung jede Karavelle dazu verpflichtet war, eine bestimmte Anzahl von Armbrüsten, Speeren und Rüstungen mit sich zu führen. Zurzeit wurde eine Reserve von einhundert Kriegsgaleeren im Arsenal instand gehalten, das von drei Magistraten überwacht wurde. Diese bewohnten drei offizielle Gebäude mit den Namen Paradiso , Purgatorio und Inferno . Francesco, der als Knabe die Divina Comedia verschlungen hatte, hatte sich ein Grinsen verkneifen müssen, als ihm gesagt worden war, er solle sich beim Magistrat im Inferno melden.
     
    Der Major Jago, sein vorgesetzter Offizier, hatte ihn ausgesandt, um in Erfahrung zu bringen, wie hoch die genaue Anzahl der Schiffe war, die zum Auslaufen bereitlagen. Er war nicht über den Grund für diesen Auftrag informiert worden, allerdings glaubte er zu wissen, dass Venedig versuchen würde, den Eingeschlossenen im Alleingang zu Hilfe zu kommen. Neben den Erkundigungen über segelfertige Schiffe sollte er außerdem das wieder aufgebaute Pulvermagazin des Arsenals inspizieren, um seinen Vorgesetzten darüber in Kenntnis zu setzen, wie viele Kanonen und Munition verfügbar waren. Das Magazin war im vergangenen Jahr durch eine Unachtsamkeit in die Luft gejagt worden, und eine Menge Menschen waren dabei zu Tode gekommen. Kurz nach dem schrecklichen Unglück hatte der Doge befohlen, es sicherer und moderner wieder aufzubauen und inzwischen waren die Arbeiten beendet. War die Schiffswerft mit den riesigen hölzernen Skeletten, aus denen einmal Kriegsschiffe werden würden, und den hektischen Menschenknäueln, die geschäftig an ihm vorbeigeeilt waren, schon beeindruckend gewesen, so übertraf das Magazin Francescos kühnste Träume. Ordentlich aufgereihte Kanonen in unterschiedlichen Größen und Kalibern flankierten die westliche Wand. Neben den Kanonen türmten sich pyramidenförmig gusseiserne Kanonenkugeln, die jedes Schiff, das sie trafen, auf den Grund des Meeres schicken würden. Es gab Musketen in hölzernen Ständern und Kisten voller Pistolen. Säcke mit Pistolenkugeln waren in einer Ecke bis beinahe unter das gewölbte Dach aufgestapelt. Pulverfässer balancierten gefährlich übereinander, und Francesco versuchte, sich vorzustellen, welche Auswirkungen wohl eine brennende Zündschnur in diesem riesigen Raum haben würde.
     
    Er wurde vom Aufseher des Magazins begleitet, dem er bei seiner Ankunft die von Jago diktierte Liste in die Hand gedrückt hatte. Während Francesco sich sprachlos umsah, prüfte der Mann die Auflistung sorgfältig, wobei er hin und wieder grunzend nickte oder den Kopf schüttelte. Schließlich löste er die geröteten Augen von dem kleinen Stück Pergament in seiner Hand und sagte: „In ein paar Tagen könnt ihr über alle Posten verfügen.“ Er wies mit einer seiner faltigen Hände auf den Stapel mit Kanonenkugeln. „Wir werden allerdings ein wenig Zeit benötigen, um noch mehr davon zu gießen.“ Francesco nickte und wandte sich ab, um das Magazin zu verlassen und seinen Bericht abzuliefern. „Glaubt Ihr, wir haben eine Chance gegen die Ungläubigen?“, schickte der alte Mann ihm mit zitternder Stimme hinterher. Francesco wandte sich ihm noch einmal zu und hob die Schultern. „Ich denke schon“, antwortete er zuversichtlicher, als er eigentlich war. Jedenfalls hoffe ich das, setzte er in Gedanken hinzu und trat zurück hinaus ins Freie.
     

Kapitel 3
     
Konstantinopel, Topkapi Palast, Dezember 1570
     
    Selim II. amüsierte sich großartig. Er lag zurückgelehnt auf seinem Diwan, einen Kelch seines besten süßen Rotweines in der einen, das pechschwarze Haar Hülyas, seiner neuesten Errungenschaft, zwischen den Fingern der anderen Hand. „Mach

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