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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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hatten sie zur Folge, dass sie aufsprang, die Hände in die Hüften stemmte und sie wutentbrannt anstarrte.
     
    „Was?!“ Ihre braunen Augen funkelten vor Entrüstung. „Hört nur, wer da spricht!“ Sie fuchtelte mit dem Zeigefinger vor Desdemonas Gesicht herum. „Bist du nicht diejenige, die sich heimlich mit einem Mann trifft?“ Sie überlegte einen Moment. „Christoforo Moro, nicht wahr? Er ist doch einer der Generäle der venezianischen Armee!“ Sie war sichtlich stolz auf diese Information. „Glaubst du nicht, dass seine Absichten ebenso durchsichtig sind wie die, die du Cesare unterstellst?“ Desdemona öffnete den Mund, um etwas auf diesen törichten Vorwurf zu erwidern, doch Angelina fuhr hastig fort. „Wenigstens ist Cesare nicht zwanzig Jahre älter als ich!“ Desdemona verdrehte die Augen und zwang sich zur Ruhe. Sicherlich sah sie Christoforo in letzter Zeit häufig, aber ihr Vater war über diese Zusammenkünfte informiert. Er hatte sie sogar dazu ermutigt, ihm und Christoforo Gesellschaft zu leisten, wenn der General über seine Abenteuer berichtete, da es ihm zu schmeicheln schien, einen so willigen Zuhörer gefunden zu haben wie sie. Sie war sich ihrer Gefühle für ihn nicht sicher gewesen bis zu dem Morgen, an dem er nach Kreta aufgebrochen war. Erst in der tristen Morgendämmerung hatte sie verstanden, dass das leere Gefühl in ihrer Brust, die dumpfe Angst, die sie des Schlafes beraubte, Liebe sein musste. Liebe für den Mann, in dem sie zunächst nur einen väterlichen Freund gesehen hatte.
     
    Sie konnte die Gedanken ihrer Schwester nachvollziehen, zumal diese im Moment von Wut angefacht wurden. Allerdings war Christoforos Familie so unanständig reich, dass sie sicher sein konnte, dass er nicht hinter ihrem Vermögen her war. Zudem war er in vornehmen Kreisen trotz seiner Herkunft hoch angesehen. Er hatte ihr berichtet, wie es dazu gekommen war, dass er – ein Mann mit maurischem Aussehen – der Sohn eines venezianischen Edelmannes war. Sein Vater war in Nordafrika stationiert gewesen, als er sich unsterblich in die Tochter eines einheimischen Fernhändlers verliebt hatte. Sie hatten ohne die Zustimmung seiner Eltern geheiratet, die über den Affront so schockiert waren, dass sie ihn beinahe aus der Familie verstoßen hätten, als die Nachricht sie erreichte. Als ihr Sohn jedoch mit einer wunderschönen Braut zurückgekehrt war und zudem noch ein immenses Vermögen zur Rettung des maroden Familienbesitzes mitbrachte, waren sein Großvater und seine Großmutter versöhnt gewesen. Es gab zwar immer noch einige Familien in Venedig, die ihn als Bastard oder gar Schlimmeres betrachteten, doch er hatte mit seinen Taten unter Beweis gestellt, dass er weitaus mehr wert war als die meisten der reinblütigen Venezianer. Der Doge selbst achtete ihn so hoch, dass er ihm die wichtigsten Staatsgeheimnisse anvertraute.
     
    Die Leinendecke, in die sie sich gehüllt hatte, war Desdemona von den Schultern geglitten und zitternd zog sie den dünnen Stoff wieder um sich. Die feinen Härchen auf ihren Armen standen zu Berge. Es war nicht übermäßig kalt in Venedig zu dieser Jahreszeit – sie hatten immer noch über zehn Grad – und der Raum wurde von einem prasselnden Holzfeuer in dem großen Kamin geheizt. Aber sie war übermüdet und hungrig. Mit traurigen Augen blickte sie zu Angelina auf. Sie wollte sich nicht mit ihr streiten. Immerhin liebte sie ihre kleine Schwester mehr als sonst jemanden auf dieser Welt. Nun ja, beinahe. Jedenfalls konnte sie nicht tatenlos dabei zusehen, wie ihre Schwester kopfüber in ihr Unglück rannte, ohne alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um sie davon abzubringen, diesen Mann wiederzusehen. „Christoforo mag vielleicht älter sein als ich“, erwiderte sie ruhig. „Aber wenigstens ist er kein verweichlichtes Püppchen!“ Sah Angelina denn nicht, wie lächerlich sich Cesare machte, wenn er wie ein Pfau durch die Stadt stolzierte? Und wie weich seine Gesichtszüge waren?! Beinahe weibisch. Ohne auf den empörten Ausdruck auf dem Gesicht ihrer Schwester zu achten, fuhr sie fort: „Christoforo ist ein Kämpfer, ein Mann, der sein Leben opfern würde für diejenigen, die er liebt. Wenigstens könnte ich mich bei ihm sicher fühlen, wenn er mein Gemahl wäre!“ Sie errötete leicht, als sein Körper vor ihrem inneren Auge Gestalt annahm. Die breiten Schultern, die starke Kinnlinie und der energische Mund. Er überragte sie um mehr als einen Kopf, und obwohl

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